Kurt Palms "Monster": Ein amüsantes Stück Trash

Kurt Palm: Menschliche Monster sind schlimmer als tierische.
Kurt Palm: Menschliche Monster sind schlimmer als tierische.(c) ORF (Hans Leitner)
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Kurt Palm gibt in „Monster“ seinem schriftstellerischen Gaul gnadenlos die Sporen und lässt dabei gleichzeitig die Zügel schleifen. Die intendierte Polit-Groteske ist der Roman allerdings nicht.

Es passiert nicht alle Tage, dass der Autor die Buchkritik gleich mitliefert. „Geschmacklos, aber ganz lustig“ – dieses Urteil lässt Kurt Palm eine Figur über seinen Erfolgsroman „Bad Fucking“ (2010) fällen. Und selbiges kann man gleich auch für „Monster“ unterschreiben, Palms jüngsten literarischen Ausbruch. „Monster“, eine lockere Fortsetzung von „Bad Fucking“, erzählt allerlei aus der österreichischen Provinz, vor allem aber von einem mysteriösen Riesenfisch, der im Rottensee unter Mensch und Tier wildert.

Der Leser sollte wissen, worauf er sich bei „Monster“ einlässt: Es ist ein amüsantes Stück Trash-Literatur, in dem Hemmungen und Hüllen gleichermaßen fallen. Eine Politgroteske ist es allerdings nicht. Dafür ist „Monster“ zu platt und zu abgedroschen. Auch wenn eine solche Abrechnung Kurt Palms eigentliches Ziel war. Der Autor und Regisseur, der unter anderem mit Hermes Phettbergs „Nette Leit Show“ bekannt wurde, ist nämlich überaus zornig auf Österreich 2.0: „Das ganze Land ist irgendwie ranzig“, sagte Palm vor Kurzem in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. „Es schimmelt seit geraumer Zeit unter einer Käseglocke vor sich hin.“


Zwischen Deix und Russ Meyer. Diesen ungesunden Belag schmeckt man in „Monster“ förmlich, man meint ihn auf den Figuren schillern zu sehen, die einer Zwitter-Welt aus Manfred Deix und dem Sexploitation-Regisseur Russ Meyer („Vixen“) zu entstammen scheinen. Da ist etwa die bösartige Innenministerin, die sich beim Genuss einer Suppe in einem Flüchtlingsheim mit Ebola ansteckt; ein gieriger Investor; ein lesbisches Vampirpärchen aus Tschetschenien, das sich als Statisten bei einem Zombie-Film verdingt, in Wahrheit aber Rache an einem Organschmuggler nehmen will. Da ist der Bauer Ablinger, der nach 50 Jahren Vergeltung für den Lynchmord an einem amerikanischen GI will. Dabei hilft ihm seine Enkelin Franziska, die sich in eine rekonvaleszente Polizeitaucherin verliebt. Da ist der aquaphobe, Socken strickende und zur Beruhigung Vogelstimmen hörende Polizeiinspektor Alfons Stallinger, Bruder von Arthur Stallinger und damit das direkte Bindeglied zu Palms „Bad Fucking“. Und über beziehungsweise unter allem zieht der Monsterfisch seine immer enger werdenden Kreise, der – wie könnte es anders sein – das Ergebnis eines geheimen Nazi-Experiments ist.

Kurt Palm gibt in „Monster“ seinem schriftstellerischen Gaul gnadenlos die Sporen und lässt dabei gleichzeitig die Zügel schleifen. In dieser literarischen wilden Jagd ist ihm kein Klischee zu tief, keine Entwicklung zu skurril, kein Mord zu monströs. Mit Gusto metzelt der Autor alle Figuren nieder, die er nicht leiden kann – Politiker, Volks-Rock'n-Roller, Tracht tragende Thujenhecken-Liebhaber. Dass Palm sich auch fragt, ob es zwischen Tracht und Niedertracht wohl einen Zusammenhang geben könnte, legt den Schluss nahe, dass „Monster“ eher ein Buch für Städter sein könnte.


Ende mit Schwächen. Ist Palms Ritt über den Rottensee am Anfang recht amüsant, verliert der Autor irgendwann die Kontrolle über die Handlungsstränge. Viele, auch die zentralen, verlaufen sich einfach im Nirgendwo (im wahren Sinn des Worts) oder hängen herum wie die Fäden eines ausgefransten Badetuchs. Besonders krass zeigt sich das am Schicksal der Flüchtlingsfamilie. In einem kursiv gesetzten Kapitel wendet sich Palm an den Leser und erklärt, dass dieser Teil des Buchs zwar schon fertig war, bei einem Gewitter in Afrika aber einem Kurzschluss zum Opfer fiel. Ein geringerer Autor als Kurt Palm hätte das Ganze vielleicht noch einmal geschrieben, aber bitte. Leider hält er auch sein manisches Tempo nicht durch. Der Schluss ist weniger ein Ende mit Schrecken als ein Ende mit Schwächen. Dafür, dass man nicht unbedingt in den nächsten See springen will, reicht's aber allemal.

Neu Erschienen

Kurt Palm
„Monster“

Deuticke
304 Seiten
21,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2019)

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