Markt für Fotografie wächst

„Konstrukce“ von Jaroslav Rössler ist eines der Westlicht-Toplose.
„Konstrukce“ von Jaroslav Rössler ist eines der Westlicht-Toplose. (c) Michael Rutz bymike.ch
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Auf der Photo London waren Vintage-Prints gefragt. Frühe Raritäten sowie Ikonen der Fotografie hat auch Westlicht im Programm.

Dead House heißt der katakombenähnliche Raum unterhalb des Innenhofs im Londoner Somerset House. Das klingt nach einer wenig einladenden Location. Junge Aussteller der Photo London (bis 19. Mai) bezeichnen sie hingegen als avantgardistisch. Sie hat eine völlig andere Stimmung als die üblichen Messestände. Die Messe musste wegen des großen Andrangs erweitern. Die Zahl der Aussteller wuchs von 89 auf 100. Ein klares Indiz dafür, dass der Markt für Fotografie wächst. Starke Nachfrage gab es für Vintage-Schwarzweißfotografie. Die Beständigkeit des Vintagemarkts abseits der Spekulation zeitgenössischer Kunst mag ein Faktor sein, der die steigende Nachfrage dieser Sparte erklärt.

Der Markt unterscheidet zwischen Fotografie und Fotokunst. Erstere umfasst das traditionelle Segment, historische Bilder aus dem 19. Jahrhundert und die Fotografie der klassischen Moderne bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dieser Markt existiert in Europa seit den 1970er-Jahren. Fotokunst ist rund zwanzig Jahre später aufgekommen und repräsentiert die Werke zeitgenössischer Künstler, die sich der Fotografie als Medium bedienen, erklärt Anna Zimm, Fotoexpertin bei Westlicht Photo Auction.

Gursky hält Rekord. Zeitgenössische Fotokunst mache heute mehr als die Hälfte des rund 500 bis 800 Millionen Euro schweren weltweiten Fotomarkts aus. „So hält Andreas Gurskys große Farbfotografie ,Rhein II‘ von 1999 seit November 2011 mit 4,3 Millionen Dollar den Weltrekord. Doch auch mit klassischer Fotografie lässt sich Geld verdienen: 2006 erzielte Edward Steichens „The Pond – Moonlight“ von 1904 bei Christie's 2,9 Millionen Dollar.

„Ende der 1980er- bis Anfang der 1990er-Jahre bekam man Arbeiten von Diane Arbus oder Irving Penn für rund 1500 Dollar. Heute kosten dieselben Werke 100.000 bis 200.000 Dollar“, sagt Zimm. Den höchsten Wert haben Vintage Prints. Das sind Abzüge, die unmittelbar oder zumindest zeitnah zur Entstehung des Negativs von diesem Original-Negativ vom Fotografen selbst oder unter seiner Aufsicht angefertigt wurden. Diese Abzüge sind selten und existieren oft nur in geringer Stückzahl.

„Klassische Fotografie von Namen wie Ansel Adams, Henri Cartier-Bresson, Jaroslav Rössler oder August Sander sind meiner Meinung nach, was die Preisentwicklung betrifft, beständig“, so die Expertin. Westlicht hat in der kommenden Auktion am 24. Mai etwa von Rössler „Konstrukce“, eine Detailstudie des Eiffelturms von 1928, im Angebot. Es ist eine seiner markantesten und fortschrittlichsten Fotografien und auf 20.000 bis 25.000 Euro geschätzt.

Etwas schlechter gehen seit einiger Zeit ganz frühe Fotografien aus dem 19. Jahrhundert. „Nur noch die Top-Stücke erzielen hohe Preise. Die Sammler sind in diesem Segment etwas weniger geworden.“ Wenn Außergewöhnliches geboten wird, würden aber auch hier noch sehr gute Preise erzielt. Westlicht bietet in der kommenden Auktion so eine Rarität: ein Klimt-Porträt von Moriz Nähr, das von Klimt selbst seinem Modell Johanna Staude gewidmet ist. Der Schätzpreis liegt bei 20.000 bis 25.000 Euro.

Schließlich gelten noch Fotoikonen als Blue Chips. Dazu zählt man etwa den berühmten Kuss-Schnappschuss von Alfred Eisenstaedt, „V-J Day in Times Square“, oder Robert Doisneaus „Le baiser de l'hotel de ville“. „Sie werden zwar häufig angeboten, existieren aber als frühe Abzüge auch nur in sehr geringer Anzahl“, so Zimm. Bei der letzten Westlicht-Auktion wurde Robert Capas Ikone „Falling Soldier“ als Vintage-Abzug um den Rekord von 144.000 Euro verkauft. „Das beweist, dass Presse- und Reportagefotografie am Markt eine bedeutende Rolle spielt.“ Am 24. Mai kommen etwa Joe Rosenthals „Raising the Flag on Iwo Jima“, Inge Moraths „Mrs. Eveleigh Nash at the Buckingham Palace Mall“ oder Neil Armstrongs Foto von „Buzz Aldrin auf dem Mond“ zum Aufruf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2019)

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