Von Krawatten und Socken

Gewiss, die Sache ist lang her, und die Zeiten haben sich geändert.

Es wird im Jahr 1987 gewesen sein, als sich in Nationalrat Unerhörtes begab: Ein Parlamentsredakteur der „Presse“ war im Hohen Haus ohne Krawatte mit offenem Hemdkragen erschienen. Wie selbstverständlich saß er inmitten seiner Kollegen in der Presse- und Fotografenloge. Ein scharfer Blick des Nationalratspräsidenten Leopold Gratz genügte, sofort eskortierten zwei Beamte der Parlamentsdirektion den Kollegen aus dem Saal.

Wenig später klingelte es beim Chefredakteur in der Redaktion. Gratz bat, dem jungen Burschen Manieren beizubringen. Nötigenfalls möge man ihm eine Krawatte spendieren. Am Mittwoch begab sich der Kanzleramtsminister der Republik Österreich, zuständig für EU, Kunst, Kultur und Medien, ins Hohe Haus mit offenbar neuen Maßschuhen. Während der Nationalratsdebatte drückten diese dermaßen, dass er in Socken schreiten musste. In türkisfarbenen, versteht sich. Nicht alle fanden das so wirklich cool.

Wie auch immer. Selbst wenn man damit den politischen Gegner papierln will, ein gewisses „G'hört sich“ sollte einem Amtsträger eigen sein. Wobei angemerkt sei, was die jungen Herrschaften oft vergessen: Minister sind im Hohen Haus nur Gäste, nicht mehr, nicht weniger. So sollten sie sich auch benehmen. (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2019)

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