Blut, Asche und Tränen der Enttäuschung

Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) hatte immer schon eine brutale Seite. Kurz vor dem Ende der Serie hat sie nun eine Stadt niedergebrannt.
Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) hatte immer schon eine brutale Seite. Kurz vor dem Ende der Serie hat sie nun eine Stadt niedergebrannt. (c) HBO / Helen Sloan
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Nach acht Staffeln geht „Game of Thrones“ ins Finale – doch Staffel acht ist kein krönender Abschluss, wie die Drehbuchautoren gehofft haben, sondern wird von Fans heftig kritisiert. Was ist schiefgegangen?

Was hat Walter White, Hauptfigur der Serie „Breaking Bad“, nicht alles getan, bevor sich die Zuschauer von ihm abgewandt haben! Gemordet und gelogen, gestohlen und die eigene Frau erpresst. Dabei war sein moralischer Abstieg schon am Ende der zweiten Staffel unumkehrbar: Er sieht zu, wie eine junge Frau im Drogenrausch erstickt – und tut nichts. Er lässt sie sterben. Drei Staffeln dauert es noch, bis Walter White seine Verbrechen sühnt.

Auch in „Game of Thrones“, der größten, wichtigsten aktuellen Serie, wird eine Figur „bad“. Daenerys Targaryen wandelt sich von der Heldin zur Antagonistin. Auch bei ihr lässt sich der Moment ihrer Unumkehrbarkeit festmachen: Sie ignoriert das Glockengeläut, das ihr bedeutet, dass sich ihre Gegner ergeben haben, und brennt mit ihrem Drachen eine Millionenstadt nieder. Bewaffnete und Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder. Dieses Massaker richtet sie in „The Bells“ an, der vorletzten Folge der Serie insgesamt, deren Finale seit heute zu sehen ist.

Fans und Kritiker reagierten bestürzt und wütend auf Daenerys' Wandlung. Einige sind so erbost, dass sie per Petition fordern, dass die achte und letzte Staffel noch einmal neu gedreht wird. Die Schwäche der aktuellen Folgen liegt allerdings weniger daran, was passiert, sondern wie es passiert.

Eilig demontierte Heldin

Brutalität gehörte von Anfang an zum Charakter von Daenerys. Bereits in Staffel eins lässt sie eine Frau bei lebendigem Leib verbrennen. Nach dem Moralkodex der geschilderten Gesellschaft ist ihr Handeln zwar grausam, aber gerechtfertigt – bisher. Sieben Staffeln lang wurde eine Heldin aufgebaut, die nun so eilig demontiert wird. Um den moralischen und psychischen Verfall von Daenerys nachfühlbar zu machen, ist eine Folge zu wenig. Ihrer Geschichte fehlt das Gleichgewicht. „Game of Thrones“ ist berühmt dafür, Helden zu töten. Inzwischen hat man weniger Angst davor, dass sie sterben, und mehr, dass ihr Ende unwürdig ist.

„Game of Thrones“ kombiniert viele Geschichten, Märchen und Fantasy. Die Serie handelt von Macht und davon, wie sie korrumpiert. Vor allem aber erzählt sie davon, wie Gesellschaften funktionieren, insbesondere deren Keimzelle: die Familie. Aber am Ende hätte ihr mehr Luft zum Erzählen gut getan. In Staffel acht wirkt die Handlung gehudelt. Dabei hätte Produktionssender HBO den Serienerfindern David Benioff und D.B. Weiss sogar angeboten, die Serie fortzuführen. Die beiden bestanden aber darauf, die beiden letzten Staffeln zu verkürzen. Seit der Vorgängerstaffel sind mehr als eineinhalb Jahre vergangen, in denen die Erwartungen in unrealistische Höhen stiegen.

Das erklärt auch die Aufregung um einen Kaffeepappbecher, der in einer Szene zu sehen ist: Der Fauxpas wird als Symbol für den Niedergang der Serie interpretiert. Und den Drehbuchautoren unterstellt, dass sie „Game of Thrones“ bloß schnell zu Ende bringen wollten, weil sie in Gedanken schon beim nächsten Großprojekt sind (Benioff und Weiss konzipieren die nächste „Star Wars“-Trilogie). Auch, dass sie bewusst Teile der Geschichte vorenthalten, um geplanten Ablegerserien nicht vorzugreifen.

Aber das Making-of der größten Schlacht in Staffel acht zeigt: Die Beteiligten haben keine Mühe gescheut, um der Serie ein imposantes Ende zu geben. Allein die Kampfszenen dieser Folge wurden 55 Nächte lang gedreht. Vielleicht steckt darin der Fehler: Der Fokus liegt zu sehr auf Bombast, zu wenig auf den vielschichtigen Figuren.

„Bittersüßes Ende“ versprochen

Kritik gibt es auch an der Kritik. „Lösungen sind weniger aufregend als Rätsel“, schreibt die „New York Times“. Der „Guardian“ meint, die Zuschauer sollen nicht Erben zählen. Die „Zeit“ hält die Fans für selbst schuld an ihrem Frust. Denn am Schluss jeder Serie stünde Enttäuschung. Das liege in der Natur der Fernseherzählung: Sie werde nicht vom Ende her gedacht, sondern so geschrieben, dass man immer weiter schaue.
Das trifft bei „Game of Thrones“ (wie auch bei „Breaking Bad“) nur bedingt zu. Benioff und Weiss waren von Anfang an eingeweiht, wie die teilweise unveröffentlichte Vorlage von George R. R. Martin enden wird. Unbefriedigend an „Game of Thrones“ ist, dass die Serie paradoxerweise zu wenig und zu viel gleichzeitig auflöst. Statt Erklärungen zu liefern, wird von Nebenfiguren ausführlich Abschied genommen.

Muss wirklich jeder der vielen Handlungsstränge abgeschlossen werden? Es gibt ohnehin zu selten offene Enden wie den genialen Schnitt auf Schwarz am Schluss der „Sopranos“. „Wenn du glaubst, es gäbe ein Happy End, hast du nicht aufgepasst“, sagt einer der Bösewichte in Staffel drei. Immerhin: Ein „bittersüßes Ende“ wurde den Zuschauern versprochen. Sollte es – selbst im milderen Rückblick – unbefriedigend ausfallen, hat das auch etwas Gutes: Man kann sich leichter von der Serie lösen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2019)

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