Kickl-Entlassung wäre eine Premiere in der Zweiten Republik

Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen(c) Reuters
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Die Verfassung ermöglicht dem Präsidenten eine Entlassung von einzelnen Ministern nur auf Vorschlag des Kanzlers. Ohne Kanzler-Vorschlag könnte Van der Bellen indes den Kanzler selbst oder die ganze Regierung entlassen.

Die mögliche Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen wäre eine Premiere in der Zweiten Republik. Dies erklärte der ehemalige ÖVP-Klubdirektor und heutige Leiter des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen, Werner Zögernitz. Die Entlassung hatte nicht zuletzt Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) am späten Sonntagabend in der „ZiB2“ ins Spiel gebracht: "Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten auch vorschlagen wird, den Innenminister aus der Regierungsverantwortung zu entlassen", sagte er. Der Grund: Eine im „Ibiza-Video“ in Aussicht gestellte verdeckte Finanzierung der FPÖ.

Laut Zögernitz erlaubt die Bundesverfassung dem Präsidenten eine Entlassung von einzelnen Ministern nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers. Grundlage dafür ist Artikel 70 der Bundesverfassung. Ohne Vorschlag des Bundeskanzlers dürfte der Bundespräsident hingegen entweder den Bundeskanzler selbst oder die gesamte Regierung entlassen.

Blaue Geschlossenheit als Unterschied

Bisher seien Abgänge von Ministern aus der Bundesregierung immer durch Rücktritte gelöst worden, sagte Zögernitz. Der im Raum stehende Rücktritt aller FPÖ-Minister im Fall der Entlassung Kickls wäre also keine echte Premiere. Ähnliches gab es schon 2002 in der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubchef Peter Westenthaler verließen damals gleichzeitig auf Seite der FPÖ die Regierung.

Der große Unterschied zu damals: Vor 17 Jahren waren es parteiinterne Streitereien in der FPÖ, die zu diesen Rücktritten führten, heute ist es ein Rosenkrieg mit dem Koalitionspartner. Heute signalisiert die FPÖ damit Geschlossenheit, damals war sie entzweit, so Zögernitz - ein Unterschied, den am Montag auch der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer betonte.

Öfter vorgekommen sei es laut Zögernitz bereits, dass der Bundespräsident bereits vor der Angelobung einzelne Minister ablehnte. Bei der schwarz-blauen Regierungsbildung im Jahr 2000 soll der damalige Bundespräsident Thomas Klestil die beiden FPÖ-Regierungskandidaten Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas abgelehnt haben und das einerseits mit einer "verbalen Entgleisung" sowie andererseits mit einer Wahlkampfführung, die als ausländerfeindlich galt, begründete.

(APA/Red.)

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