Der Niki Lauda meiner Kindheit

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Er war anders als all das, was ich als achtjähriger Bub kannte. Schon alleine sein Name war anders. In den zwei Stunden, in denen Niki Lauda im Kreis fuhr, verließ auch ich meine Umlaufbahn. Erinnerungen an den Helden meiner Kindheit.

Als Niki Lauda am 24. Oktober 1976 den Grand Prix in Fuji nicht beendet hat, habe ich geweint. „James Hunt der falsche Hund“ habe ich immer in Gedanken vor mich hergesagt. Gesehen habe ich das Drama nicht. Zeitverschiebung. Der Grand Prix lief im Fernsehen am Sonntagvormittag. „Lauda ist nicht Gott“, sagte meine Mutter auf dem Weg in den Gottesdienst.

Lauda war mein Held. Nicht, weil er Weltmeister war, nicht weil er der beste Rennfahrer der Welt war. Lauda war so völlig anders als all das was ich als Bub im Weinviertel kannte. Schon alleine sein Name war anders. Nikolaus. Bei uns hießen die Burschen Erich, Franz, Heinz oder Gerhard. Schon als Alexander hattest du einen schweren Stand. Ein Nikolaus bei uns in der Wiesenzeile? Undenkbar.

Alles war undenkbar. Ich habe mich immer geärgert, dass die anderen Sportler bei den meisten meiner Freunde - und bei den meisten Österreichern generell noch populärer waren. Der Klammer Franzi, der Krankl Hansi, selbst der Toni Innauer war immer weiter vorne bei der Wahl des Sportlers des Jahres. Weil sie so wie wir waren. Weil sie trotz ihrer Erfolge und Genialität ganz normale Burschen waren.

Wenn Grand Prix war, dann war es immer dieselbe Prozedur. Die Kronen Zeitung lag auf dem Wohnzimmertisch, die Seite mit der Startaufstellung aufgeschlagen, daneben ein Filzstift. Wenn einer ausgeschieden war, wurde er durchgestrichen. Schwere Unfälle wurden dick durchgestrichen. Wenn Niki Lauda ausgeschieden ist, war der ganze Sonntag durchgestrichen.

Kyalami, Interlagos, Zandvoort, Silverstone, Watkins Glen. Und natürlich Monte Carlo. Es war an einem Muttertag, als Niki Lauda den Großen Preis von Monaco gewann. Wir saßen alle gebannt vor dem Schwarzweißfernseher. Mein Vater, mein Bruder, ich. In den zwei Stunden, in denen Lauda im Kreis fuhr, verließ ich meine gewohnte Umlaufbahn. Und ich kommentierte mit Heinz Prüller im Duett. Es gibt Namen, und es gibt Namen für Rennfahrer, dachte ich. Emerson Fittibaldi, Jody Scheckter, Clay Regazzoni. Wenn mir damals einer gesagt hätte, dass man auch als Gerhard Berger Rennfahrer werden darf, ich hätte ihn für verrückt erklärt.

Aber das absolut Irrste an Niki Lauda, das absolut Unglaublichste an ihm, das war seine Frau Marlene. Weiße Bluse, Jean, Sonnenbrille, Zigarette. Und diese hochgesteckten Haare. Verdammt noch mal, diese Haare! Ich wusste damals so gut wie gar nichts über Frauen. Aber eines war mir klar: So eine Frau gab es im ganzen Weinviertel nicht. Vielleicht in Wien, aber selbst das war eher unwahrscheinlich.

Komisch, aber es gibt so viele Details, an die ich mich erinnere. An die Aufkleber auf seinem Rennanzug. Raiffeisen, Parmalat, Heuer, Römerquelle, Marlboro. Aber an seinen Unfall auf dem Nürburgring kann ich mich so gut wie gar nicht erinnern. Ich glaub, das hat man damals im Fernsehen gar nicht gesehen. Die berühmten Bilder vom brennenden Wrack wurden erst viel später gezeigt. Es war eher die Reaktion der Erwachsenen, die mir klar machten, dass dieser 1. August 1976 ein völlig verrückter Tag war. Reichsbrücke eingestürzt, Niki Lauda schwer verletzt.

Ich war damals nie auf einem Grand Prix. So etwas wagte ich mir nicht einmal zu wünschen. Einmal waren wir auf Urlaub in Kärnten und machten einen Tagesausflug nach Venedig. Mit dem Bus. Das Beste daran war eine Pinkelpause an einer Raststation, die voller Ferrari-Devotionalien war. Wir saßen sogar auf echten Formel 1-Auto-Hinterreifen. Und überall hingen Bilder von Ferrari-Stars, manche mit original Autogrammen versehen. Lauda hatte seine Karriere unterbrochen. Gilles Villeneuve hieß der neue Ferrari-Star. Ich wäre am liebsten in dieser schäbigen Hütte geblieben, ich hätte dort Tage verbringen können. Den ganzen Tag in Venedig hoffte ich, dass wir auf dem Rückweg wieder Halt machen - in der Ferrari-Box im Kanaltal. Leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung.

Als junger Wirtschaftsjournalist habe ich den Unternehmer Niki Lauda kennengelernt. Unsere erste Begegnung fand bei einem Frühstück im Cafe Blaustern statt. „Ein ganz normaler Termin“, sagte ich zu mir. Und so war es dann auch.

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