Österreichische Schlagzeilenparade in deutschen Medien

Bei Markus Lanz (li.) diskutierten Mittwochnacht Puls4-Infochefin Corinna Milborn (2.v.li.) und die "SZ"-Journalisten, die das Ibiza-Video aufgedeckt hatten (2. und 3. v. re.).
Bei Markus Lanz (li.) diskutierten Mittwochnacht Puls4-Infochefin Corinna Milborn (2.v.li.) und die "SZ"-Journalisten, die das Ibiza-Video aufgedeckt hatten (2. und 3. v. re.).(c) Screenshot ZDF
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Von Anne Will bis Markus Lanz und Maybrit Illner, von „Bild“ und „Spiegel“ bis zur „Süddeutschen“ - und stündlich in der „Tagesschau". Seit Freitag dominiert Österreichs innenpolitische Krise die Nachrichtenkanäle Deutschlands.

Tag sechs mit dem Ibiza-Gate und auch die deutschen Medien bleiben ohne Pause dran an den Geschichten rund um das skandalöse Video, das eine österreichische Staatskrise ausgelöst hat. Egal, welche Nachrichtenseite man aktuell öffnet, welchen Fernsehsender man aufdreht, man blickt als Österreicher stets in sehr vertraute Gesichter. Besonders auffällig war das am Dienstag und Mittwoch, kurz vor und nach der Angelobung des Expertenflügels, der die aus der Bundesregierung ausgeschiedenen blauen Minister ersetzt. Die ARD-"Tagesschau“ brachte da beinah im Stundentakt Updates zur österreichischen Regierungskrise, was in der Mediathek des Senders rot-weiß-rote Fotostrecken zu Tage brachte, die abwechselnd Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz oder beide gemeinsam anführten. Dazwischen spülte dann ein trauriger Anlass noch eine Nachricht aus Österreich in die Nachrichten und auf Zeitungstitelseiten: Der Tod von Rennfahrerlegende Niki Lauda.

Im Stundentakt Nachrichten aus Österreich, wie der Blick in die Mediathek der ARD-Tagesschau zeigt.
Im Stundentakt Nachrichten aus Österreich, wie der Blick in die Mediathek der ARD-Tagesschau zeigt. (c) Screenshot

Schon Sonntagabend diskutierte Anne Will in der ARD mit Vertretern aller deutschen Parlamentsparteien inklusive AfD und „Spiegel"-Redakteur Martin Knobbe über die Neuwahlen in Österreich und die Folgen für Europas Rechtspopulisten. Dienstagnacht waren bei Markus Lanz dann Puls4-Infochefin Corinna Milborn und die beiden Investigativ-Reporter der „Süddeutschen“, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer zu Gast, die gemeinsam mit „Spiegel“ und „Falter“ Teile des Videos veröffentlicht hatten. Sie erzählten noch einmal, wie sie an das Video gekommen waren, dass sie kein Geld dafür bezahlt haben und wieso sie nur wenige Ausschnitte aus dem insgesamt sieben Stunden langen Material zeigen. Milborn wiederum berichtete, dass sie schon vor gut einem Jahr zum ersten Mal von der Existenz eines solchen Videos gehört hatte und erklärte dem deutschen Moderator die Freiheitlichen. Und weil das Thema eben gar so viel hergibt, sprach Markus Lanz einen Abend später gleich noch einmal über die Ibiza-Affäre und zwar mit „Falter"-Chefredakteur Florian Klenk und der deutschen Verfassungsrichterin Juli Zeh. Am Donnerstag diskutiert dann auch Maybrit Illner in ihrer Talkshow darüber, u.a. mit „Falter"-Kollegin Barbara Toth.

Die beiden Aufdecker-Medien „Spiegel“ und „Süddeutsche“ sind derweil immer noch mit der Aufarbeitung der Details und Hintergründe zum Ibiza-Video beschäftigt und kommentieren nebenbei das innenpolitische Geschehen. Es gibt aktuell auffallend viel Lob für Bundespräsident Van der Bellen, sanfte Schelte für Kurz und vereinzelt gute Haltungsnoten für manche seiner Entscheidungen. Die „Süddeutsche“ appelliert gar sehr direkt an die österreichische Opposition, sie möge das Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz durchziehen. Auch die „Bild"-Zeitung füllt Seiten und Schlagzeilen über die „Ösis“ und „neue irre Details“ zur Ibiza-Affäre in gewohnt zugespitzt, wie am Mittwoch beispielsweise: „Kurz zeigt sein neues Wackel-Kabinett“ - und nimmt den österreichischen Kanzler mal mehr, mal weniger hart ran. Sie kürzt das Land in Schlagzeilen deswegen so oft ab, wie der Chefredakteur Julian Reichelt auf Twitter erklärte, weil der komplette Name zu lang wäre. Hm, und wie ist das dann eigentlich bei ihrem eigenen Ländernamen?

Für Deutschland und die Deutschen gilt all das, was im kleinen südlichen Nachbarland mit dem außergewöhnlich jungen konservativen Kanzler und den Rechtspopulisten passiert, abwechselnd als gelungenes Vorbild oder abschreckendes Beispiel. Die gemeinsame Sprache (oder eher das Trennende an ihr, wie schon viele Dichter gerne gewitzelt haben) und das Internet lassen die Staatsgrenzen noch leichter verschwimmen. Auch unter deutschen Journalisten in den sozialen Netzwerken scheint es derzeit kaum ein anderes Thema als die österreichische Politik zu geben, umgekehrt arbeiten viele österreichische Journalisten in deutschen Medien, an der Recherche zum Ibiza-Video war bei der „Süddeutschen“ etwa Leila Al-Serori beteiligt. Die Österreicherin war zuvor Redakteurin beim „Kurier“ und ist seit 2016 Politik-Journalistin bei der „Süddeutschen“. 

Aktuell entsteht angesichts der großen Ösi-Schlagzeilen-Dichte in deutschen Medien der Eindruck, Österreich ist zum 17. Bundesland Deutschlands geworden.

"Ösi-Medien" und "irre Details" - so schreibt die "Bild" über die Ibiza-Affäre.
"Ösi-Medien" und "irre Details" - so schreibt die "Bild" über die Ibiza-Affäre. (c) Screenshot

Eben dieser Eindruck wurde schon am Wochenende dadurch verstärkt, dass nicht nur die Hauptrecherche zum Ibiza-Video, sondern auch viele Reaktionen und erste Stellungnahmen von Politikern über deutsche Medien transportiert wurden. Bundeskanzler Sebastian Kurz gab sein erstes Interview am Sonntag zwar schon der heimischen „Kronen Zeitung“, aber eben auch der „Bild“. Das mag auch an dem guten Draht zu Chefredakteur Reichelt und Reporter Paul Ronzheimer liegen, der eine Biografie über Kurz verfasst hat. Aber auch Ex-Kanzler Christian Kern gab der deutschen „Welt“ eine erste Stellungnahme zu den aktuellen Geschehnissen, auch wenn der Redakteur, der ihn interviewt hat, mit Manfred Klimek ein Wiener ist; der Fotograf schreibt seit einiger Zeit regelmä0ig für „Die Welt“. Eine zeitlang sah es also so aus, als würden deutsche Medien die Ibiza-Geschichte mehr vorantreiben als heimische.

Und Jan Böhmermann...

Und dann ist da ja auch noch der deutsche Comedian Jan Böhmermann, der sich seit Wochen auffallend intensiv mit Österreich auseinandersetzte und lange vor der Veröffentlichung von dem Ibiza-Video erfahren hat, wie sein Management bestätigt hat, weshalb er in seiner Romy-Dankbotschaft einen Hinweis darauf einbaute. Seit Montag sorgt er mit dem Countdown für seine nächste Sendung Mittwochabend für Spannung.  Dass es darin  überhaupt noch einmal um Ibiza, Strache und Ösis gehen wird, ist eher auszuschließen. Für den Rest der deutschen Medien wird die österreichische Schlagzeilenparade wohl noch eine Weile weitergehen.

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