Der Rapper aus der Wunderlampe

Wundergeist Genie (Will Smith, r.) erklärt dem verliebten Taschendieb Aladdin (Mena Massoud) die Welt.
Wundergeist Genie (Will Smith, r.) erklärt dem verliebten Taschendieb Aladdin (Mena Massoud) die Welt.Daniel Smith/Disney
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Disneys mitreißende „Aladdin“-Neuverfilmung mischt Bollywood-Tanz mit Hiphop – in einem fiktiven Arabien. Warum auch nicht? Authentisch war „Aladdin“ noch nie.

Mit Aladdin, der Wunderlampe und dem Nahen Osten ist das so eine Sache: Die Geschichte war nie Teil der ursprünglichen Sammlung der Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht. Sie wurde im 18. Jahrhundert vom französischen Übersetzer Antoine Galland hinzugefügt, der sie von einem Geschichtenerzähler aus Aleppo bekommen haben will – arabisches Original gibt es keines (mehr). In Gallands Version lebt der junge Taugenichts Aladdin in einer Stadt in China, wo er von Muslimen umgeben ist und sich in eine Sultanstochter verliebt. Die fiktive Wüstenstadt Agrabah, in der der Disney-Zeichentrickfilm von 1992 das Märchen verortet, ist Bagdad, aber auch dem Taj Mahal nachempfunden, und liegt angeblich irgendwo am Jordan. Der Orient ist ein vages Prinzip. Hier schließt er alles mit ein, was mit einem fliegenden Teppich irgendwie erreichbar ist.

Dass Authentizität keine gültige Kategorie ist, wenn es darum geht, diese Geschichte zu erzählen, dürfte Disney sehr zugute gekommen sein. Nicht nur, weil der Konzern bei der Suche nach Hauptdarstellern für seine Neuverfilmung das Einzugsgebiet denkbar großzügig definieren konnte. Ausgewählt wurden der ägyptischstämmige Kanadier Mena Massoud als Aladdin und die indischstämmige Britin Naomi Scott als Prinzessin Jasmin (was Twitter-Kontroversen auslöste). Die Unverortbarkeit der Geschichte erlaubt Disney auch, unbeirrt ein wundersames, mystisches Universal-Arabien in den Wüstensand zu stellen. Und dabei gnädig wegzulassen, was irgendwie schwierig werden könnte – etwa jeglichen Hinweis auf den Islam – und hinzuzufügen, was immer die Erzählung fetziger machen könnte. Hiphop-Moves zum Beispiel. Und einen Wunderlampengeist, der rappen und beatboxen kann. Warum auch nicht?

Diese Prinzessin will regieren

Der neue Film (Kinostart: heute, 23. Mai) beginnt mit einem fulminanten Digital-Kameraflug: Vom Meer aus nähern wir uns diesem Schmuckstück Agrabah, tauchen ein in die engen, staubigen Gassen der Souks, vorbei an Marktständen und Taschendieben, gleiten zum Sultanspalast, hinauf zu den Sternen und wieder hinab in die dunkle Wüste. „Arabische Nächte“ sind heiß. Die umstrittene Originalzeile aus dem Titellied, „Where they'll cut off your ear if they don't like your face / It's barbaric but hey, it's home”, ist hier natürlich nicht zu hören. Auch sonst wurde der Film, was Böse-Araber-Klischees angeht, entschärft. Dafür ist er deutlich hipper als der Zeichentrickfilm und hat mit der Prinzessin, die sich nach Regierungsverantwortung sehnt, eine deutlich selbstbewusstere Frauenfigur. Regie führte Action- und Gangster-Profi Guy Ritchie, der sein Talent für flotte Sprüche und rasantes Vergnügen auf den kinderfreundlichen Disney-Stoff übertrug.

Sein „Aladdin“ ist überschwängliches, mitreißendes Kino. Was auch mit Will Smith als hyperaktivem Wundergeist Genie zu tun hat. Die Rolle wurde einst Robin Williams auf den Leib gezeichnet – er war einer der ersten Stars, der einer Animationsrolle seine Stimme gab. Smiths Genie ist weniger albern und zappelig, hat mehr Coolness – und scheint für den Schauspieler eine genussvolle Rückkehr zu seinen Rapper-Wurzeln zu sein. Nach seiner Befreiung aus der engen Lampe macht er erst mal kurz Yoga. Dann erklärt er schon das Prinzip mit den drei Wünschen in einer Big-Band-Nummer („You never had a friend like me“), die mit viel Hiphop-Elementen erneuert wurde.

Optisch wird dabei eine bombastische Revue in der glitzernden Zauberhöhle inszeniert, mit Marionettentanz, pinken Lichtstrahlen und magischer Pyroshow – eine berauschende Szene. Auch sonst kommt „Aladdin“ ziemlich opulent daher, aber immer mit der nötigen Ironie und Sinn für stilvolle Übertreibung. Als der ehrbare Taschendieb Aladdin – per Genie-Wunsch in der Gestalt eines steinreichen Prinzen – der Prinzessin seine Aufwartung macht, hat er eine ganze Parade mit Tänzern, Straußen und Elefanten dabei. Auch anderswo arten die Musicalszenen in Bollywood-Extravaganza aus. Die Geschichte kommt dabei aber nicht zu kurz. Marwan Kenzari ist als Hexenmeister Jafar, der die Wunderlampe und die Macht über das Sultanat will, angemessen böse. Mena Massoud und Naomi Scott ziehen beide in ihren Bann als Liebende, die nicht zusammen sein dürfen, und die sich mutig und schwindelfrei in Actionszenen stürzen – zuversichtlich, dass ihr Teppich sie stets sanft fangen wird.

„Habibi, let me show you the dream“, heißt es im Rap-Song, der im Abspann zu hören ist. Das Wörtchen („Mein Liebling“) erinnert glatt daran, dass es da draußen tatsächlich eine reale arabische Welt gibt. Nur mit Aladdin und der Wunderlampe hat die halt nicht viel zu tun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2019)

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