Universitätsbibliotheken: In Ruhe digital arbeiten

Trotz E-Books braucht es auch weiterhin Platz für analoge Bücher.
Trotz E-Books braucht es auch weiterhin Platz für analoge Bücher.Christian Schneider
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Sie sind Hochburgen des verlässlichen Contents und Bastionen gegen Fake News. Innerhalb dieser Mauern versucht man trotzdem, mit der Zeit zu gehen.

Die Universitätsbibliotheken werden nach wie vor gebraucht, „weil sie einen geordneten Zugang zu Themen – in unserem Fall Musik und Kunst – bieten und verlässlich sind. Das bedeutet, die Quellen sind bekannt. Das unterscheidet uns maßgeblich vom Internet“, sagt Barbara Schwarz-Raminger, Leiterin der Universitätsbibliothek am Mozarteum. Mit einem Gesamtbestand von 290.000 Medien zählt sie zu den größten Musik- und Kunstbibliotheken Österreichs. Mit Medien seien aktuell vorrangig Bücher, Noten und Datenbanken gemeint, erläutert Schwarz-Raminger. CDs oder E-Books würden immer weniger nachgefragt – eine Erfahrung, die man auch in der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien macht: „Die Akademiebibliothek hat nur zwei gekaufte E-Books, gleichwohl Nutzungslizenzen für mehr als 130.000 Datenbanken. Physische Medien wie Bücher und DVDs werden nach wie vor bevorzugt genützt“, sagt der interimistische Leiter, Andreas Ferus.

Digitale Bedürfnisse erkennen

Auch weiterhin Platz für analoge Medien zu schaffen und trotzdem auf die Digitalisierung zu reagieren, stelle die Universitätsbibliotheken vor eine große Herausforderung: „Es gilt die Bedürfnisse der Digital Natives zu erkennen und auf die veränderte Literalität im digitalen Zeitalter Antworten zu finden.“ Zu dieser zählt Ferus den Umgang mit digital veränderbaren oder automatisch generierten Texten sowie neue Lese- und Schreibgewohnheiten. Junge Menschen seien es heute gewohnt, Texte auszugsweise und auf mobilen Endgeräten zu lesen, PDFs würden ihnen erlauben, ganze digitalisierte Bibliotheken nach Schlagwörtern zu durchsuchen und dadurch neue Forschungsfragen zu generieren.

„Wir vermuten, dass E-Books verstärkt genutzt werden, wenn es darum geht, eine bestimmte Information rasch aufzufinden, gedruckte Bücher aber bevorzugt werden, wenn es um eine längere Lektüre geht oder Inhalte tatsächlich erlernt werden sollen“, erläutert Werner Schlacher, Leiter der Universitätsbibliothek Graz. Dort verwende man seit dem Jahr 2017 mehr finanzielle Mittel für den Ankauf von E-Books als von gedruckten Werken, seit vergangenem Jahr seien auch mehr E-Books als gedruckte Bücher angekauft worden, sagt Schlacher.

An der Donau-Universität Krems mit ihrem Blended-Learning-Ansatz, der Präsenzphasen mit E-Learning kombiniert, ist digitalisierte Information nicht mehr aus dem Uni-Bibliotheksalltag wegzudenken. Denn wer online lerne, brauche Online-Content, meint Margit Rathmanner, Leiterin der Bibliothek: „Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Inhalte sind ortsungebunden verfügbar und stehen durch den Zugriff auf lizensierte Fachdatenbanken rund um die Uhr zur Verfügung.“ Besonders vorteilhaft sei das cloudbasierte Bibliothekssystem Alma, in dem die österreichischen Hochschulen ihre elektronischen, digitalen und physischen Ressourcen zur Verfügung stellen. Dass die Digital Natives aber trotzdem das Bedürfnis haben, an einem physischen Ort zu lernen, an dem man nicht allein ist, zeigt sich in Graz. „Je mehr Inhalte den Studierenden online bereitgestellt wurden, desto massiver wurde der Wunsch der Studierenden nach längeren Öffnungszeiten der Bibliotheken“, sagt Leiter Werner Schlacher. Auch Schwarz-Raminger meint, Studierende, Forschende und Externe wollten nach wie vor in den Bibliotheken arbeiten: „Universitätsbibliotheken sind Informations-, Lern- und Arbeitsort sowie Kommunikationszentrum für Kunst und Wissenschaft.“ Ferus ergänzt: „Bibliotheken etablieren sich immer mehr zu einem nicht kommerziellen Ort, der zum Verweilen einlädt und für Veranstaltungen offen steht.“

Angebote anpassen

Dazu müssen laufend Adaptionen vorgenommen werden, weiß Maria Seissl, Leiterin des Bereichs Bibliotheks- und Archivwesen an der Universität Wien: „Die Räumlichkeiten sollten flexibel an die Bedürfnisse der Studierenden angepasst werden, etwa mit Gruppenarbeitsräumen, längerfristig belegbaren Leseplätzen und multifunktionalen Möbeln.“ Auch die Services für Studierende und Forschende werden angepasst: „Beratung und Wissensvermittlung werden bei der Bewältigung der Informationsflut immer wichtiger. Das ist gerade in Zeiten von Fake News wertvoll“, erklärt Seissl. Außerdem bieten Bibliotheken zunehmend Kurse und Schulungen zur Förderung der Lese- und Informationskompetenz an. Wissenschaftlichen Bibliotheken käme darüber hinaus vermehrt die Aufgabe zuteil, auch Wissenschaftler zu unterstützen, etwa bei der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse. Schlacher ergänzt: „Wir werden in Zukunft vermehrt eine neue Funktion auf dem Gebiet des Forschungsdatenmanagements wahrnehmen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2019)

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