Hausbau: Auf Energieeffizienz getrimmt

Passivhaus an der Eisenstraße in St. Anton an der Jessnitz.
Passivhaus an der Eisenstraße in St. Anton an der Jessnitz.(c) Eco Concept GmbH/Stefan Sappert
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Die Energiewerte sind mittlerweile zum alles entscheidenden Kriterium geworden. Niedrigstenergie- und Passivhäuser gelten als die Königsklassen, die künftig zum gesetzlichen Standard werden.

Ein Haus ist nicht einfach ein Haus. Bevor ein Häuslbauer zur Tat schreiten kann, sind einige grundlegende Entscheidungen zu treffen. Soll es ein Massivhaus oder ein Fertigteilhaus werden? Welches Baumaterial soll vorzugsweise zum Einsatz kommen? Beton, Ziegel, Holz, oder darf es etwas Innovativeres wie Lehm sein? Wie auch immer die Entscheidung letztlich ausfallen mag, überlappt wird sie vom alles entscheidenden Kriterium der Energieeffizienz. Dafür hat in den vergangenen Jahren die EU beziehungsweise der österreichische Gesetzgeber mit seinen Energieeffizienzrichtlinien gesorgt. Doch schon zuvor haben sich einige Standards herausgebildet. Ein Überblick.

1. Was versteht man unter einem Energiesparhaus?

Dabei handelt es sich um einen älteren Begriff aus den frühen 1990er-Jahren, als erstmals die Bedeutung der Energieeffizienz beim Hausbau in den Vordergrund gerückt ist. „Ursprünglich wurden damit einfach Gebäude bezeichnet, die in besonderer Weise gedämmt waren“, erläutert Bernhard Lipp, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Bauen und Ökologie (IBO). „Da es keine offiziellen Kriterien dafür gab, waren die Ermessensspielräume recht breit.“ Das änderte sich erst, als mit dem Passivhausstandard erstmals genaue Kriterien für eine tatsächliche Energieeffizienz definiert wurden. Dieser Standard bildete ab den Nullerjahren den Maßstab für die Entwicklung weiterer Haustypen, wie wir sie heute kennen.

2. Welche neuen Hausvarianten haben sich seitdem eingebürgert?

Zu den hierzulande bekanntesten Energiesparhaustypen gehören das Niedrigenergiehaus, das Niedrigstenergiehaus, das Passivhaus, das Nullenergiehaus und das Plus-Energie-Haus. Wobei Niedrigenergiehaus weniger einen einheitlichen Standard als vielmehr eine Art Überbegriff für ein energieeffizientes Gebäude, dem derzeitigen Neubaustandard folgend, darstellt. Auch für das Nullenergiehaus und das Plus-Energie-Haus gibt es keine genau festgelegten Kriterien, im Vordergrund steht hier jedoch die Energiebilanz und weniger der Heizwärmebedarf (HWB). „Die einzigen beiden recht klar festgelegten Kategorien – definiert in der nationalen Richtlinie 6 des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB) –sind das Passivhaus und das Niedrigstenergiehaus“, betont Georg Trnka, Senior Expert bei der Österreichischen Energieagentur. Das Passivhaus stellt ein spezifisches Baukonzept dar, das über die strengen Zertifizierungskriterien des Passivhaus-Instituts in Darmstadt überprüft werden kann, bei den Kriterien für ein Niedrigstenergiehaus handelt es sich um die nationale Umsetzung einer EU-Vorgabe. „Das wurde notwendig, weil ab 1. Jänner 2021 alle Neubauten im Niedrigstenergiestandard errichtet werden müssen“, erläutert der Experte.

3. Welche Kriterien müssen Niedrigstenergie- und Passivhaus erfüllen?

Der ausschlaggebende Wert ist der Heizwärmebedarf (HWB). Dieser darf beim Passivhaus laut den Zertifizierungskriterien des Passivhaus-Instituts in Darmstadt 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) nicht überschreiten. Beim Niedrigstenergiehaus gilt ein Wert von rund 25 Kilowattstunden, da in die Bewertungsskala noch andere Parameter wie der Endenergiebedarf oder der Energieeffizienzfaktor einfließen. „Diese Parameter beziehen sich auf das Heizsystem, weshalb sie in erster Linie für das Niedrigstenergiehaus von Belang sind. Beim Passivhaus entfalle die Heizung zugunsten einer Lüftungsanlage mit Wärmetauscher, erklärt Trnka. Lipp wiederum verweist darauf, dass beim Passivhaus generell eine strengere Bewertungsmethode angewandt wird: „So werden zum Beispiel solare Wärmegewinne durch Sonneneinstrahlung oder die Wärmeabgabe von elektrischen Geräten beim Passivhausstandard deutlich geringer angesetzt. Auch die Anforderungen an Lüftung und Primärenergiebedarf sind hier strenger.“

4. Wie sieht es mit dem Kostenverhältnis aus?

Trnka favorisiert in dieser Hinsicht das Niedrigstenergiehaus, Lipp hingegen spricht sich für das Passivhaus aus. „Das Passivhaus ist mit seiner strengen Bewertungsmethode näher an der Realität, also ,ehrlicher‘“, begründet er seine Entscheidung. Die höheren Kosten könnten darüber hinaus oft mit Fördergeldern aufgefangen werden: „Die Goldförderungen von Klima aktiv gibt es beispielsweise nur für den Passivhausstandard.“

5. Können diese Standards mit Sanierungen erreicht werden?

Obwohl für thermische Sanierungen großzügigere Maximalwerte von den Bauordnungen zugelassen werden, sei es bei einem Altbau schwierig bis unmöglich, Passivhaus oder Niedrigstenergiehausstandard zu erreichen, meinen die Experten. Für Trnka ist bei einer umfassenden thermischen Sanierung das Erreichen eines HWB-Werts von circa 50 aber durchaus im Bereich des Möglichen. Das entspricht einer Energieeffizienz der Klasse B. „Die thermische Sanierung ist jedenfalls die große Schraube, an der gedreht werden sollte, um die Energieeffizienz im Gebäudesektor in absehbarer Zeit signifikant zu erhöhen“, betont er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2019)

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