Wo Zauberbesen fliegen und ein Drache lauert

Spaziergang durch die Winkelgasse.
Spaziergang durch die Winkelgasse.Warner Bros. Entertainment Inc. Harry Potter Publishing Rights
  • Drucken

In den Warner Bros. Studios bei London kann man in die Welt des Zauberlehrlings eintauchen. Die detailreiche Ausstellung zeigt eindrucksvolle Filmkulissen und wie viel Aufwand hinter diesen Fantasy-Filmen steckt.

Eines vorweg: Wer die „Harry Potter“-Filme nicht gesehen, sondern nur Joanne K. Rowlings Bücher über den Zauberlehrling gelesen hat, für den ist ein Besuch der Warner Bros. Studios nahe London nur der halbe Spaß (andererseits bestimmt ein Anreiz, eine cineastische Bildungslücke zu schließen). Aber für Fans der Filmreihe ist die detailverliebte Studiotour „The Making of Harry Potter“ ein vergnügliches Erlebnis. Es gibt so viel zu entdecken, dass man gut und gern einen Tag damit verbringen kann, durch Räume zu schlendern, die man aus den Filmen kennt (allen voran die große Halle mit den schwebenden Kerzen), Utensilien, Kostüme und Masken zu bestaunen (die Todesser sehen auch aus der Nähe sehr gruselig aus) oder ganz einfach einmal auszuprobieren, ob man auf so einem Zauberbesen gute Figur macht (in einer Greenbox kann man sich im flatternden Zauberer-Cape filmen lassen, als flöge man gerade über Hogwarts hinweg). Das Butterbier nicht zu vergessen, das in der Cafeteria ausgeschenkt wird. Alkoholfrei, versteht sich.

Freilich: Wenn man sieht, mit welchen Tricks und Kniffen das Fantasy-Kino arbeitet, kommt es auch zu einer gewissen Entzauberung der Magie und ihrer Kreaturen. Die Familie von Harry Potters bestem Freund, Ron Weasley, bleibt einem aber genauso sympathisch – auch wenn man einen Blick in deren chaotische Küche werfen darf und per Knopfdruck ein Bügeleisen und eine Spülbürste aktivieren kann, die dann wie durch Zauberhand die Hausarbeit erledigen. Die schrecklichen Monster und Tierwesen aus der Filmreihe wirken aus der Nähe betrachtet ein bisschen weniger schaurig – aber wenn man die handwerklichen Details unter die Lupe nimmt, doch sehr beeindruckend.

Feuerspeiende Ungeheuer

Und die Drachen? Diese bleiben furchteinflößend: Über dem Entrée schwebt ein riesiges Exemplar, als wolle es die Besucher daran hindern, tiefer in die Ausstellungsräume vorzudringen. Irgendwann mitten in der Ausstellung sollten zarte Gemüter und kleine Kinder an die Hand genommen werden (man ahnt schon am drohenden Schnauben, dass gleich etwas kommt), weil ein sehr gut gemachter Video-Trick den Eindruck erweckt, als würde man tatsächlich von einem feuerspeienden Ungeheuer attackiert. Das kann man sich auch mehrmals anschauen, weil der Effekt so geschickt gemacht ist . . .

Bis 2011 wurden in der riesigen Halle der Warner Bros. Studios 30 Kilometer nordwestlich von London (ein Shuttlebus fährt alle 20 Minuten vom Bahnhof Watford Junction ab) insgesamt acht „Harry Potter“-Filme gedreht. Hier durchlebten die Darsteller von Harry Potter (Daniel Radcliffe), Ron Weasley (Rupert Grint) und Hermine Granger (Emma Watson) ihre Pubertät und lernten, den Zauberstab zu schwingen (Radcliffe hat angeblich etwa 80 Stück davon verschlissen, weil er sie in den Pausen als Drumsticks verwendete), den Besen zu reiten, Quidditch zu spielen, über Hogwarts zu fliegen (dankt der Greenbox) und Zaubertränke zu mixen. Jetzt darf das Publikum hinter die Kulissen blicken und Direktor Albus Dumbledore in seinem Büro besuchen (dass die Bücher in den Regalen auf antik gestylte Telefonbücher sind, sieht man nicht auf den ersten Blick – das erfährt man nur von den Guides) oder dem fiesen Lucius Malfoy zusehen, wie er die schaurige Schlange Nagini befehligt.

Mit viel Liebe zum Detail und großem Aufwand wurde an diesem Filmset eine magische Welt erbaut. Die Cheerios der Weasleys heißen „Cheeriowls“ und sind folgerichtig keine Ringe, sondern Cerealien in Eulenform; in den Büchern, die in Professor Snapes Klassenzimmer für Zaubertränke herumliegen, sind von Autorin Joanne K. Rowling erstellte Giftmischungen abgedruckt (damit jeder auch nur zufällige Kameraschwenk über ein offen daliegendes Werk seine Logik hat); die Hütte des gutmütigen Hagrid wurde zwei Mal völlig ident aufgebaut – eine ist aber um zwölf Prozent kleiner als die andere, damit Hagrid darin wie ein Riese wirkt, während die Kinder einem in der normalen Hütte viel kleiner vorkommen . . .

Neu: Ein Besuch bei Gringotts

Beeindruckend sind die Originalkulissen: Der Hogwarts-Express (ein echter ausrangierter Zug, Baujahr 1937) steht auf Gleis 9¾ bereit. In der täuschend echt ausstaffierten Winkelgasse kann man die Auslage von Weasleys Zauberhafte Zauberscherze bestaunen (und man fragt sich, wie viele Arbeitsstunden pro Monat hier fürs Abstauben aufgebracht werden müssen). Im verbotenen Wald (er wurde 2017 aufgebaut), dessen Betreten den Hogwarts-Schülern im Film strengstens verboten ist, sorgen Riesenspinnen für Gänsehaut (wer unter Arachnophobie leidet, muss da nicht durch).

Die neueste Errungenschaft ist aber die Zaubererbank Gringotts: Eine von mächtigen Lustern überspannte Halle mit gewaltigen Säulen aus Fake-Marmor, in der Kobolde am Schalter sitzen. Auch hier überzeugt die Liebe zum Detail: Tintenfässer und Federn liegen für die Einträge in die Bücher bereit, stapelweise Galleonen, Sickel und Knuts werden hier gehortet: Allein für die letzten beiden „Harry Potter“-Filme wurden von der Requisite 210.000 Münzen angefertigt. Ausgestellt sind auch die Masken der Kobolde, die in wochenlanger Handarbeit gefertigt wurden – jedes einzelne Haar ist händisch eingesetzt, jede Vene sorgsam aufgemalt. Vier Stunden dauerte es jedes Mal, Schauspieler Warwick Davis in den Kobold Griphook zu verwandeln – inklusive schwarzen Kontaktlinsen und Zahnprothese . . .

Wie gesagt: Hier kann man gut und gern einen ganzen Tag verbringen. Am Ende fährt man heim, um „Harry Potter“ zu schauen, weil man das, was man im Laufe dieser Studiotour entdeckt hat, in den Filmen wiederfinden möchte.

WARNER BROS. STUDIOS

Harry-Potter-Tour. Rund 30 km nord- westlich von London befinden sich die Warner Bros. Studios. Dort wurden alle Teile gedreht. www.wbstudiotour.co.uk
Hin: per Auto oder Zug (von Euston nach Watford Junction + Shuttlebus). Tickets mit Zeitlimit; Tipp: 30 Min. vorher da sein; Erw. ca. 43, Kinder 39, Familien 158 Euro.
Übernachten: Hunton Park Hotel

Compliance: Die Reise erfolgte auf Einladung von Warner Bros. Harry Potter Studio Tour.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.