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Bilderbuch in Schönbrunn: Frisbees, Freedom und "endlich Frieden"

Josef Beyer
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„Der Kaiser wäre stolz, gell?" Im imperialen Ambiente von Schloss Schönbrunn spielten Bilderbuch Hochlieder auf sprudelnde Getränke und Europa.

Wenn Maurice Ernst seine gelben Handschuhe überstreift, dann weiß der geneigte Bilderbuch-Konzertgast, was jetzt kommt. Die Signalfarbe ist, seit Ernst im Musikvideo zu „Maschin“ einen ebensolchen Lamborghini streichelte (und nebenbei bewies, welcher Groove in einem elektrischen Sitzhebel stecken kann), eng mit der Band assoziiert. Jubel war dem Sänger sicher, als er also am Freitagabend, beim ausverkauften ersten von zwei Konzerten im Ehrenhof von Schloss Schönbrunn, die symbolische Rennfahrermontur anlegte – und er weiß, mit dem Jubel zu spielen, ihn zu beschwören und lässig abzuwinken, ihn anschwellen zu lassen und darin zu baden. Oder gleich in der Menge. Zurück auf der Bühne von einem Crowdsurfing-Exkurs ließ er an einer Stelle des Konzerts verkünden: „Der Kaiser wäre stolz, gell?“

Bis dahin dauerte es allerdings ein Weilchen; der Anfang des Auftritts vor 16.000 Fans, der zweifellos den bisherigen Höhepunkt in der Karriere der Band aus Kremsmünster bedeutet, gestaltete sich noch recht entspannt. „Und dann stehst du da an der Sektbar auf der Fête Blanche in der Hotel Lounge“, sang Ernst im Opener „Mr. Supercool“ (aus dem neuesten Album „Vernissage My Heart“), entsprechend war anfangs auch die Stimmung im Publikum.

Beim zweiten Song machte vor der Bühne der erste „Spliff“ die Runde, auf den gleichnamigen Hit wollte der Konzertgast wohl nicht warten, der sein Rauchgerät aber bereitwillig mit den umstehenden Besuchern teilte. Zeit, sich die Bühne genau anzuschauen: Zwischen einer Flugzeugstiege („Love Air“) und Gebetsfahnen waren Planetenmodelle, Ventilatoren und ein Sternenkranz à la Europaflagge montiert, dazwischen stand ein Kühlschrank mit beachtlicher Innenraumbeleuchtung.

Seifenblasen und Sprite

Ein angemessenes Bühnenbild, in dem die Band ihr selbstreferenzielles Netz aus Slogans und stylishen Wortfetzen spinnen konnte. Im Bilderbuch-Wunderland warten die Wünsche auf Slideshows und LED Screens, hier lässt ein „Frisbee“ Busen hüpfen („und mir wird dabei so herrlich schwindlig“), verflossene Lieben leben auf der „Memory Card“ weiter, hier wird Martini gesippt und der Softdrink „perlt an deiner Haut“ – oder steigt in den Nachthimmel: Zu „Softdrink“ ließ die Band Tausende rauchgefüllte Seifenblasen über die Menge schweben, die hiermit ihre Betriebstemperatur erreicht hatte und die Zuckerwasser-Hymne fröhlich mitsang. Eine Zeile, die nur aus (völlig unhippen!) Getränkemarkennamen besteht und in der sich auf Sprite „alright“ reimt, bis zur Ekstasegrenze wiederholen und dabei ein Publikum begeistern, das Kommerz doch ablehnt – welche Band kann das, außer Bilderbuch?

Josef Beyer

Dazu tönten funkige Beats, und die Gitarren sägten, pfiffen und zwitscherten sogar: Schon erstaunlich, was Mike Krammer, mit Schlafzimmerblick, Netzshirt und Smiley-Rasur am Kopf, da aus seinem Instrument holte, während hinter ihm mit zusätzlicher perkussiver Begleitung der Rhythmus definiert wurde (ein Trommel-Doppel-Solo erntete frenetische Reaktionen) und vorn Sänger Ernst den Mittelsteg entlang stolzierte, erst im Karo-Top, bei der Zugabe im seidig flatternden kupferroten Ensemble.

Mehr Gefühle!

Er hat sich von den Größten des Showbusiness, was körperlichen Ausdruck angeht, einiges abgeschaut, doch ganz eigen ist ihm der Hüftknicker, diese kleine, bewusst feminine Bewegung, mit der er die kühnen Rock-Gesten bricht. Ohne dabei an Coolness einzubüßen, kann er auch für mehr emotionale Sensibilität appellieren: „Wir können ruhig ein bisserl an unseren Gefühlen arbeiten!“ Auch wenn das im konkreten Fall schlicht hieß – lauter jubeln.

Im imperialen Ambiente übte er sich auch in staatstragenden Reden, angemessen nasal vorgetragen: „Jetzt wird es endlich wieder schön!“ Dass er nicht das Wetter meinte, wurde sodann klar: „Endlich kehrt wieder Frieden ein im kleinen Österreich!“ Unter begeisterten Fans hörte man nach dem Konzert, alles war super, doch wie super wäre noch ein zumindest angedeutetes Cover vom derzeit wieder beliebten Eurodance-Trashhit „We're going to Ibiza“ gewesen?

Dabei würden solche konkreten politischen Anspielungen (von der musikalischen Kompatibilität ganz abgesehen) überhaupt nicht in die abstrakte Utopie passen, die Bilderbuch aufbaut. Die eindeutigste politische Botschaft der Band ist gepackt in Zeilen über elektrikblaue Himmel und „ein Leben ohne Grenzen, eine Freedom zu verschenken“ – und selbst die wurde fast zögerlich präsentiert: „Der Papa hat g'sagt, ich soll nicht so viel politisieren auf einer Bühne“, sagte Ernst vor der lässigen Freiheitshymne „Europa22“. Auf der Schlossfassade drehten sich dazu gelbe Sterne auf blauem Grund.

„Wir sind nie game over“ hieß es dann im, so Ernst, sehr persönlichen Liebeslied „Checkpoint“. Was für ein schönes Credo zum Mit-heim-Nehmen. Das hätte wohl auch der Kaiser unterschrieben

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2019)

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