Knittelfeld liegt nicht auf Ibiza

Harald Vilimsky
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14 Jahre lang dreht sich in der FPÖ alles um Heinz-Christian Strache. Gehen mit ihm nun auch die Fans? Eher nicht. Über einen Wahlsonntag, der überraschend kam. In vielerlei Hinsicht.

Wien. Für all den Trubel der vergangenen Tage, das politische Beben am Ballhausplatz, für all die Wut und all die Tränen, ist es auf der Wahlparty der FPÖ in einem Gasthaus in der Wiener Josefstadt vor allem eines: ruhig. Man könnte auch sagen – entspannt. Richtig laut wird es erst, als am frühen Abend der Parteichef in das Lokal einzieht. Die Sprechchöre für den neuen Obmann muss man wohl noch etwas üben: Die einen Freiheitlichen rufen „Norbert, Norbert!“, die anderen „Hofer, Hofer!“. Im Hintergrund läuft, zum ersten Mal an diesem Tag, „Immer wieder Österreich“. Zuvor spielte es jazzige Aufzugmusik. Lange waren sogar die nicht amtsführende Wiener Stadträtin Ursula Stenzel und der Abgeordnete Robert Lugar die prominentesten Gäste. Um 23 Uhr war die Veranstaltung so gut wie vorbei.

Es ist nicht ein Wahlsonntag, wie man es von der FPÖ gewohnt ist. Andererseits: Seit dem kompromittierenden Ibiza-Video und dem Rücktritt von Obmann Heinz-Christian Strache ist bei dieser Partei ohnehin alles anders. Dass die FPÖ mit 17,2 Prozent (Endergebnis inklusive Wahlkartenprognose) knapp unter dem Ergebnis von 2014 liegt, lässt die Partei daher aufatmen. Der Fokus liegt schon auf dem nächsten Urnengang: der Nationalratswahl.

„Es waren nicht ganz einfache Tage“, sagt auch Hofer bei seiner Ansprache. „Danke an alle, die uns in dieser schwierigen Phase ihre Stimme gegeben haben.“ Bei der Wahl im September „werden es noch viel, viel mehr sein“. Hofer beschäftigt sich gar nicht mehr lange mit dem EU-Votum und spricht lieber über den Wahlkampf. „Wir werden auf Sicherheit, Soziales und direkte Demokratie setzen.“

Dieser Wahlsonntag ist trotzdem ein erster Stimmungstest für die FPÖ. Die alles entscheidende Frage wird vorsichtig beantwortet, die in der Vergangenheit eher von politischen Feinspitzen im Konjunktiv gestellt wurde: Gibt es eine FPÖ ohne einen Parteichef Heinz-Christian Strache? Das Ergebnis zeigt: Ja, es gibt sie. Geschwächt, aber nicht so schwach, wie von den Freiheitlichen befürchtet. Vor dem Ibiza-Video lag die Partei in Umfragen zur EU-Wahl bei 24 Prozent. Der Verlust ist wohl verkraftbar. Die FPÖ scheint eine treue Anhängerschaft zu haben. Auch Spitzenkandidat Vilimsky dankt freudig den Stammwählern. So glücklich können Wahlverlierer sein.

Immerhin hatte sich 14 Jahre lang in der FPÖ alles um einen Mann gedreht: Heinz-Christian Strache. Er übernahm die Partei 2005, drei Jahre nach der Spaltung in Knittelfeld. Unter ihm lernte die Partei, zunächst auf wackeligen Beinen, wieder selbstbewusst zu gehen. Mit dem Einzug in die Regierung 2017 glaubte man in der FPÖ, man sei endlich erwachsen geworden. Dann kam Ibiza.

Nun übernimmt eben Hofer die Führung der Partei, mit (un-)freundlicher Unterstützung von Ex-Innenminister Herbert Kickl. Beide werden auch Klubobmänner im Parlament. Der ehemalige türkisen Partner, die ÖVP, ist nach dem Ende der Koalition wieder der schwarze Feind. Damit ist auch eine neue, alte Wahlkampftaktik geboren, die wohl bis zur Nationalratswahl durchgezogen wird: Wir gegen alle anderen. Jetzt erst recht.

Die Freiheitlichen fanden sich aber erstaunlich schnell in ihrer Rolle des rauen Angreifers und des Opfers zurecht. Wozu sollte man auch den Staatsmann geben, wenn man wieder in Opposition ist?

Strache meldet sich zu Wort

Am Sonntag schickte die Partei auf Whatsapp also eine Botschaft an ihre Fans: „Deine Stimme für die FPÖ verhindert, dass ein Video, welches kurz vor der Wahl aus dem Ausland gezündet wurde, zum Erfolg für die Asylchaoten wird.“ Auf Facebook meldete sich auch Strache zu Wort: „Österreich braucht dich: Tauschen wir die EU-Politiker aus, bevor diese die europäischen Völker ausgetauscht haben.“ Chef ist Strache zwar nicht mehr, Wahlkampfhelfer bleibt er aber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2019)

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