Sexuelle Revolution: 50 Jahre "Pille"

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Zwischen Untergang des Abendlandes und Befreiung der Frauen: Vor 50 Jahren wurde in den USA die erste Antibabypille zugelassen. Nur ein Jahr später war sie in Europa erhältlich und trat ihren weltweiten Siegeszug an.

Wenig hat die Sexualität derart verändert wie die Erfindung der Antibabypille: Vor 50 Jahren ist sie in den USA zugelassen worden, ein Jahr später in Europa. Für die einen war sie der "Untergang des Abendlandes", für die anderen die Befreiung der Frauen, die heute von weltweit geschätzten 100 Millionen Frauen genutzt wird.

Das erste Präparat "Enovid" war noch eine wahre Hormonbombe, die 1988 vom US-Markt verschwand. Bei der Zulassung stand aber nicht die Hormondosis, sondern die moralischen Implikationen im Vordergrund: Die US-Zulassungsbehörde erklärte am 9. Mai 1960 - dem Tag der Genehmigung - dass die Entscheidung "auf der Sicherheit basiert", aber mit "unseren Vorstellungen von Moral nicht zu tun hat".

Mit dem Zulassungsantrag der Pharmafirma G. D. Searle hatte sich die US-Behörde Zeit gelassen. Dabei nahmen zu dieser Zeit schon mindestens eine halbe Million Frauen das Mittel. Enovid war bereits seit 1957 als Mittel zur Linderung starker Menstruationsbeschwerden am Markt. Als das Präparat dann im Sommer 1960 offiziell als Verhütungsmittel auf den US-Markt kam, schnellte die Nachfrage in die Höhe. Schon am 1. Juni 1961 zog der deutsche Hersteller Schering mit dem Präparat Anovlar nach. Das DDR-Pendant Ovosiston wurde im Jahr 1965 als "Wunschkindpille" vorgestellt.

Frauenbefreiung und Thrombosen-Risiko

Mit der Pille konnten Frauen erstmals selbst über die Verhütung bestimmen.  "Ich habe die Pille als ungeheure Befreiung empfunden", sagt die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer. "Endlich konnten Frauen sich selbst vor ungewollten Schwangerschaften schützen."

Für Diskussionen sorgten aber vor allem die immer deutlicher werdenden Gesundheitsrisiken. Die damalige Pille enthielt ein Mehrfaches der Hormondosis heutiger Präparate und verursachte bei vielen Frauen Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit. Schon im Herbst 1961 hatte ein englischer Arzt im Fachblatt "The Lancet" erstmals den Fall einer Frau beschrieben, die nach Einnahme der Pille an einer Thrombose starb. Solche Berichte häuften sich, für weitere Verunsicherung sorgten Berichte über ein erhöhtes Krebsrisiko. Zwar hat sich dieser Verdacht bisher nicht bestätigt, aber auch bei geringerer Hormondosis steigern die Präparate die Gefahr eines Gefäßverschlusses.

Kritik an der Pille kam nicht nur von medizinischer Seite: Papst Paul VI. lehnte 1968 in der Enzyklika "Humanae vitae" die künstliche Empfängnisverhütung ab. Dem Erfolg der Pille hat dies nur wenig geschadet: Heute gibt es Dutzende Präparate auf dem Markt.

(Ag.)

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