Italien: Ein Triumph mit Tücken für Salvini

Italiens neuer starker Mann. Die EU-Wahl bestätigte die Position des Lega-Chefs und Vizekanzlers Matteo Salvini.
Italiens neuer starker Mann. Die EU-Wahl bestätigte die Position des Lega-Chefs und Vizekanzlers Matteo Salvini. (c) REUTERS (GUGLIELMO MANGIAPANE)
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Die Lega des Innenministers und Vizekanzlers stieg zur stärksten Kraft auf und verdoppelte ihren Prozentanteil vom Vorjahr. Bei einer Neuwahl könnte ihm der Partner abhanden kommen.

Rom. Dass in Italien der große Gewinner Matteo Salvini heißt, ist alles andere als eine Überraschung. Dennoch haben mit einem so eindeutigen Ergebnis wohl die wenigsten gerechnet. Die Lega des Innenministers erzielte bei der EU–Wahl am 34,3 Prozent und verdoppelte den Stimmenanteil bei der Parlamentswahl vor 15 Monaten. Im Vergleich zur Europawahl 2014 fällt der Sieg noch fulminanter aus: Damals kam die Partei auf lediglich 6,2 Prozent.

Die EU-Wahl wirbelt Kräfteverhältnisse ordentlich durcheinander. „Die Wahl war für Italien quasi der zweite Teil der nationalen Wahlen vom vergangenen Jahr“, sagt Antonio Noto, Direktor des Umfrageinstituts IPR Marketing. Es sei im Wahlkampf nur um nationale Fragen gegangen, nur am Rande sei Europa Thema gewesen.

Wo es einen klaren Gewinner gibt, gibt es auch einen klaren Verlierer: Die Fünf-Sterne-Bewegung, die mit 32,7 Prozent mit Abstand die Mehrheit im Parlament in Rom hat, stürzte am Sonntag auf 17,1 Prozent ab. Sie landete nur auf Platz drei, abgeschlagen hinter dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD). Der erreichte mit 22,7 Prozent ein überraschend gutes Ergebnis (plus vier Prozent gegenüber der Parlamentswahl 2018).

Nach Wochen des Streits innerhalb der Koalition steht die Frage im Raum: Wie geht es in Rom weiter? Bereits im Vorfeld der Europawahlen war viel über Neuwahlen spekuliert worden, sollte die Lega mehr als 30 Prozent der Stimmen erhalten. Politikexperte Giovanni Orsina schätzt die Wahrscheinlichkeit für Neuwahlen nun auf über 50 Prozent ein.

Dilemma für Fünf Sterne

„Wir machen weiter wie bisher. Es wird sich nichts ändern“, bekräftigte indes Salvini. Mehr als 50 Prozent der Wähler hätten den Regierungsparteien ihre Stimme gegeben, so der Innenminister und Vizepremier. „Dieses Vertrauen müssen wir gut nutzen.“ Er habe nicht vor, den Chefsessel einzunehmen. Mit Luigi Di Maio, dem Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, werde er wieder zu einer guten Beziehung zurückfinden.

Damit kehrt wohl erst einmal Ruhe in die Regierung ein. Dass Salvini seine neue Macht nun hinter den Kulissen ausspielen dürfte, scheint allen Beobachtern hingegen klar zu sein. Die Fünf-Sterne-Bewegung befindet sich damit in einer Zwickmühle. Stellt sie sich in der Regierung quer, könnte Salvini doch mit Neuwahlen drohen. Zu Salvinis Hauptanliegen zählen Steuersenkungen und die Umsetzung von Infrastrukturprojekten wie die Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Lyon und Turin, die die Fünf Sterne stoppen wollen.

Neuwahlen wären aber auch für den Lega-Chef nicht ohne Risiko. Experten gehen davon aus, dass er seinen Zenit erreicht hat. Er bräuchte weiter einen Koalitionspartner. Silvio Berlusconi, dessen Forza Italia am Sonntag auf 8,8 Prozent kam, und die extrem rechten Fratelli d'Italia (6,5 Prozent) stünden wohl für ein Bündnis bereit. In einer Mitte-Rechts-Koalition würde Salvini der Buhmann fehlen. Lässt Salvini die Regierung platzen, besteht für ihn ein weiteres Risiko – nämlich, dass nicht neu gewählt wird und er in der Opposition landet, wenn sich die Fünf Sterne mit den Sozialdemokraten auf eine Koalition einigen sollten.

Luigi Di Maio zog das Fazit: „Aus dieser Wahl nehmen wir eine wichtige Lektion mit. Wir lernen daraus und werden nicht aufgeben. Für mich gilt es, Versprechen einzulösen.“ Für das schlechte Abschneiden seiner Partei macht Di Maio auch die niedrige Wahlbeteiligung verantwortlich. Anders als in vielen Teilen Europas war sie in Italien leicht rückläufig.
Der 33-Jährige muss sich vorerst keine Sorgen um seine Zukunft machen – auch weil es an Alternativen zu ihm mangelt: Niemand ist erpicht darauf, neben Salvini den schwachen Mann zu spielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2019)

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