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Anti-Kurz-Allianz: „Dieser Griff nach der Macht ist widerlich“

Austrian Chancellor Sebastian Kurz attends a session of the Parliament in Vienna
Kanzler Kurz verabschiedete sich nach dem Misstrauensvotum von der Vorsitzenden Doris Bures.REUTERS
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SPÖ und FPÖ warfen Sebastian Kurz vor, nur auf eine Vergrößerung des türkisen Einflussbereichs aus zu sein. Die ÖVP feierte Kurz hingegen ein Mal noch als Kanzler ab. Am Ende musste aber zum ersten Mal eine im Nationalrat durchgefallene Regierung den Saal verlassen.

Wien. Applaus und Standing Ovations für den Kanzler: Die ÖVP-Mandatare wussten, was ihrem Parteichef gleich blühen sollte. Und so wollten sie am Montag Nachmittag im Nationalrat noch einmal Geschlossenheit demonstrieren. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka war – von der Abgeordnetenbank aus – aufgestanden, um dem Kanzler kurz vor dem Misstrauensantrag applaudierend die Ehre zu erweisen.

In der Debatte waren die Rollen klar verteilt. Die SPÖ zeigte sich angriffig und kritisierte, dass Kurz bei seiner vorwöchigen Regierungsumbildung nicht die Opposition eingebunden habe. Und selbst die neuen Expertenminister seien mit ÖVP-Personal im Kabinett versorgt worden. „Sie wollen die Zustimmung und Vertrauenfür eine ÖVP-Alleinregierung – und das im Nachhinein“, kritisierte SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Kurz habe einen „schamlosen, zügellosen und verantwortungslosen Griff nach der Macht“ gesetzt, meinte Rendi-Wagner. „Aber die Macht geht vom Volke aus.“

Damit erntete die SPÖ-Chefin nun aber auch ungewollt den Applaus der ÖVP-Mandatare, die „gestern, gestern!“ aus den Bänken schrien. Gemeint war damit die EU-Wahl, deren Ergebnis die türkisen Abgeordneten als Bestätigung dafür sahen, dass die Österreicher weiterhin Sebastian Kurz als Bundeskanzler wollen.

Ebendieser legte seine Rolle im Nationalrat staatstragend an. Statt zu den Vorwürfen der SPÖ sprach er lieber von Erfolgen seiner türkis-blauen Regierung wie dem Kampf gegen illegale Migration. Aber auch die Regierungsumbildung verteidigte Kurz. So habe er noch von niemanden gehört, dass die von ihm ausgesuchten Experten nicht für das Amt geeignet seien. Nun verstehe er ja die Rachegelüste der Opposition gegen ihn, meinte Kurz. Aber nun die gesamte Regierung abzusetzen, das „kann niemand in dem Land nachvollziehen.“

Klubchef Herbert Kickl warf Kurz vor, dass er die Koalition aus Machtgründen leichtfertig aufgekündigt habe. Vor allem, dass Kurz die Koalition nur fortsetzen wollte, falls Kickl freiwillig als Innenminister gegangen wäre, erboste die Freiheitlichen. „Es ging um die Wiederherstellung der Machtachse der ÖVP“, meinte Kickl. Kurz habe nur gewollt, dass Justiz- und Innenressort wieder in den Einflussbereich der ÖVP gelangten. „Dieser Griff nach der Macht ist widerlich“, befand der Ex-Minister.

Die Neos bekamen von Kurz Lob für ihre „konstruktive Herangehensweise“.Die Pinken hatten schon vor der Sitzung angekündigt, nicht dem Misstrauensantrag zuzustimmen. Beate Meinl-Reisinger grenzte sich aber verbal von Kurz ab. Sein türkis-blaues Experiment sei gescheitert. Was es nun brauche, sei „ein Verantwortungsbewusstsein für die Menschen und die Republik“.

Ein Ende ohne Raunen oder Applaus

Kurz sei vertrauensunwürdig, meinte Alfred Noll von der Liste Jetzt. So habe Kurz nun nach der rot-schwarzen auch noch die türkis-blaue Koalition gesprengt. Die Liste Jetzt brachte ihren eigenen (nur gegen den Kanzler gerichteten) Misstrauensantrag ein. Er wurde aber nicht mehr abgestimmt, weil bereits zuvor der SPÖ-Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung erfolgreich war. SPÖ, FPÖ und auch die Liste Jetzt gingen mit und stürzten so gemeinsam die Regierung.

Kein Raunen, kein Applaus: Sebastian Kurz gab der vorsitzenden Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) die Hand. Dann verließen er und die Minister den Saal. Und so ging die erste Regierung der Zweiten Republik, der der Nationalrat das Vertrauen versagt hat, recht unspektakulär von dannen.[PI1R9]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2019)