"Kein Glaube an Europa": Van der Bellens Familie wollte emigrieren

Symbolbild: Alexander Van der Bellen am Flughafen
Symbolbild: Alexander Van der Bellen am FlughafenAPA/HARALD SCHNEIDER
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Der Vater des heutigen Bundespräsidenten konnte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in seine Heimat Estland zurück, daher wollte die Familie nach Übersee - und scheiterte, wie nun publik gewordene Unterlagen preisgeben.

In etwa 13 Millionen Dokumenten, die die Arolsen Archives vergangene Woche im Internet veröffentlicht haben, finden sich auch Details zur Familiengeschichte von Alexander Van der Bellen: Demnach wollte die Familie des amtierenden Bundespräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg Tirol verlassen und nach Übersee emigrieren. "Ich habe keinen Glauben mehr an Europa. Drei Mal habe ich Hab und Gut wegen Revolutionen und Kriegen verloren und ich sollte nun eine friedliche Zukunft für meine Kinder sicherstellen. Aus diesem Grund würde ich gerne nach Südafrika auswandern", schrieb Alexander Van der Bellen senior (1898-1966) im Dezember 1948. Als politischer Flüchtling könne er nicht in seine Heimat Estland zurückkehren, hieß es in den Erläuterungen, in denen auch Australien, Kanada und die USA als mögliche Zielländer genannt wurden.

Der Vater des Bundespräsidenten hatte sich damals an die Internationale Flüchtlingsorganisation (IRO), eine Sonderinstitution der Vereinten Nationen, gewandt, die zwischen 1946 und 1952 vor allem Holocaustüberlebenden, ehemaligen Zwangsarbeitern und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Emigration nach Übersee behilflich war.

Das Ansinnen scheiterte jedoch eineinhalb Jahre später am Regelwerk der Organisation, das eine Unterstützung für deutschstämmige Personen ausschloss. Der Antragsteller habe keine Beweise dafür vorbringen können, dass seine Einbürgerung in Deutschland 1942 unter Druck vollzogen worden sei, entschied eine Berufungskommission im März 1950. Auch Van der Bellens Argument, dass er ursprünglich während des Zweiten Weltkriegs zu einem Onkel nach Holland hätte übersiedeln wollen und die Deutschen dies nicht erlaubt hätten, fand keine Beachtung.

Simon Wiesenthal: "Ich habe alles in Polen verloren"

In der neuen Internet-Veröffentlichung der Institution im deutschen Bad Arolsen, die zuvor Internationaler Suchdienst hieß, finden sich aber auch Spuren berühmter jüdischer Flüchtlinge aus Osteuropa. "Ich habe alles in Polen verloren und will nach Israel", schrieb etwa 1949 Simon Wiesenthal aus Linz in seinem Antrag. Obwohl die Internationale Flüchtlingsorganisation sich bereit erklärte, Wiesenthal (1908-2005) zu unterstützen, blieb er bekanntlich in Österreich und leistete einen maßgeblichen Beitrag zur österreichischen Vergangenheitsbewältigung.

Ein gewisser Paul Antschel aus Czernowitz, der sich damals in Innsbruck aufhielt, suchte im Juni 1948 indes um Unterstützung für eine Emigration nach Frankreich an. Trotz einer positiven Entscheidung war er alsbald für IRO in Innsbruck jedoch nicht mehr aufzufinden. Zudem hatte Antschel in seinem Antrag verschwiegen, dass er auch einen anderen Namen verwendet: Als Paul Celan (1920-1970) avancierte er in Folge zu einem der wichtigsten deutschsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts.

(APA)

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