EU-Wahl: Edtstadler überholt Karas bei ÖVP-Vorzugsstimmen

Die Presse
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Karoline Edtstadler dürfte mehr Wähler als Othmar Karas überzeugt haben. Der will dennoch Delegationsleiter der ÖVP im EU-Parlament werden. Dort ist weiterhin auch ein Sitz für Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache reserviert.

Wien/Brüssel. „Ich hoffe, dass ich die meisten Vorzugsstimmen erhalte. Denn sie bedeuten Stärke, Unabhängigkeit und auch Bestätigung“, sagte Othmar Karas, der Spitzenkandidat der ÖVP, im Interview mit der „Presse“ während des EU-Wahlkampfes. Stärker, unabhängiger und in ihrer Linie bestätigt dürfte sich nun aber wohl eher Karoline Edtstadler fühlen. Denn die Listenzweite kam im ÖVP-internen Vorzugsstimmenrennen offenbar deutlich vor dem Listenersten zu liegen. Das zeichnete sich während der noch laufenden Auszählung ab. Am Mittwoch wird das Endergebnis verkündet.

Damit ist das türkis-schwarze Kräftemessen so gut wie entschieden. Die bisherige Staatssekretärin im Innenministerium konnte sich mit ihrer türkisen, in Migrationsfragen harten und Sebastian Kurz treuen Linie gegen den bisherigen ÖVP-Delegationsleiter mit seiner schwarzen, in Migrationsfragen weicheren und der (gescheiterten) Bundesregierung gegenüber kritischeren Haltung durchsetzen. Laut Berechnungen der Austria Presseagentur brachte es Edtstadler noch ohne Burgenland-Ergebnis auf 106.132 Vorzugsstimmen – und Karas auf 93.820. Angelika Winzig, die zwischenzeitlich sogar als Favoritin bei den Vorzugsstimmen gehandelt worden war, dürfte die drittmeisten Stimmen erhalten haben. Die 84.473 namentlichen Nennungen sind Beweis für die Mobilisierungskraft der oberösterreichischen ÖVP.

Bisher galt Karas als Vorzugsstimmenkaiser. Im Jahr 2009 kandidierte er mit Wut im Bauch, weil ihm Ernst Strasser als Spitzenkandidat vorgesetzt worden war, und bekam die direkte Unterstützung von 113.000 Wählern. Fünf Jahre später waren es fast 83.000. Diesmal seien es – trotz eines harten Volkspartei-internen Stimmenwettkampfes – mehr, betonte Karas in einer ersten Stellungnahme. Das sei erfreulich.

Neben Edtstadler, Karas und Winzig haben sich die steirische Bauernbund-Kandidatin Simone Schmiedtbauer, die Tiroler Wirtschaftsbündlerin Barbara Thaler, der Niederösterreicher Lukas Mandl und der niederösterreichische Bauernbündler Alexander Bernhuber die insgesamt sieben ÖVP-Mandate gesichert. Die Partei will die Sitze in Brüssel und Straßburg diesmal ausschließlich entsprechend dem Abschneiden der Kandidaten bei der Vorzugsstimmenwahl vergeben. Wer die Delegation nun leiten darf, ist, wie es in der Partei auf Anfrage der „Presse“ heißt, aber noch nicht entschieden. Karas will seine Funktion als Delegationsleiter jedenfalls nicht abgeben. „Selbstverständlich stelle ich mich der Wahl zum Delegationsleiter“, sagte er am Dienstagnachmittag.

Wird Strache das Mandat annehmen?

Weiterhin offen ist auch, wen die Freiheitlichen nach Brüssel und Straßburg schicken werden. Ihrem zurückgetretenen Parteichef Heinz-Christian Strache steht nämlich ein Mandat zu. Er hat – obwohl er rein aus Solidarität auf dem letzten Platz auf dem Wahlzettel stand – mehr als 42.000 blaue Vorzugsstimmen erhalten. Und das sind noch nicht einmal die endgültigen Zahlen. Strache dürfte offenbar tatsächlich mit der Annahme des Mandats kokettieren. „Diesem großen Vertrauen der Bürger fühle ich mich demokratiepolitisch verpflichtet und werde daher das EU-Mandat annehmen!“, schrieb er am Montagnachmittag auf Facebook. Der Eintrag verschwand wenig später wieder. Angeblich wurde er durch die Administratoren der Seite gelöscht.

Darauf dürften, wie die „Presse“ erfahren hat, „diverse Parteigranden“ gepocht haben. Offiziell wollen sie Strache die Entscheidung zwar selbst überlassen. Immerhin könne man den Willen des Volkes nicht ignorieren und möchte die blaue Stammwählerschaft, die trotz Ibiza-Video geblieben ist, nicht verärgern. Inoffiziell hört sich das aber anders an. Dass Strache das Mandat annehme, heißt es da, „kommt überhaupt nicht infrage“. Er dürfte das anders sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2019)

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