Sebastian Kurz: „Am Ende des Tages kommt alles ans Licht“

Sebastian Kurz am Dienstag in der ÖVP-Zentrale: „Ich bin ein hundertprozentig überzeugter Demokrat und nehme die Entscheidung des Parlaments hin.“
Sebastian Kurz am Dienstag in der ÖVP-Zentrale: „Ich bin ein hundertprozentig überzeugter Demokrat und nehme die Entscheidung des Parlaments hin.“(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Warum Sebastian Kurz nicht ins Parlament will, wie er seinen Wahlkampf anlegt und wieso er nach wie vor Tal Silberstein in Verdacht hat.

Die Presse: Wieso nehmen Sie Ihr Parlamentsmandat nicht an?

Sebastian Kurz: Meine Aufgabe in den nächsten Tagen und Wochen sehe ich darin, den Bundespräsidenten, aber auch die Übergangsregierung bestmöglich zu unterstützen und eine geordnete Übergabe an diese Übergangsregierung sicherzustellen.


Das kann man vom Parlament aus ja auch tun.

Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, nachzuholen, was in den vergangenen Jahren nur sehr eingeschränkt möglich war. Der Kontakt mit den Menschen ist oft nur zwischen Tür und Angel möglich gewesen. Gespräche mit der Bevölkerung waren oft auf wenige Sätze beschränkt, weil man einfach in seiner Funktion von einem Termin zum anderen hastet, vor allem auch international. Und wir haben mit August Wöginger zudem einen hervorragenden Klubobmann, der den Klub bis zu den Wahlen weiterführen wird.


Es passt aber auch zum neuen ÖVP-Spin: „Das Parlament hat bestimmt. Das Volk wird entscheiden!“ Ist es nicht eine Gratwanderung, das Parlament dem Volk gegenüberzustellen?

Das sehe ich überhaupt nicht so. Denn ein Problem wäre es, eine Entscheidung des Parlaments nicht zu respektieren. Das findet ja nicht statt, ganz im Gegenteil.


Man hätte schreiben können: „Die Wähler werden entscheiden.“ „Das Volk wird entscheiden“ klingt ein wenig nach Pegida.

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. „Volk“ steht auch in Artikel 1 der Bundesverfassung. Die Österreicher kennen mich jetzt in unterschiedlichen Funktionen seit vielen Jahren. Sie kennen mein Demokratieverständnis, sie wissen, dass ich bereit bin, für meine Überzeugungen zu kämpfen. Ich bin ein hundertprozentig überzeugter Demokrat und nehme die Entscheidung des Parlaments hin. Aber es wird doch in einer Demokratie erlaubt sein, dafür zu werben, dass die Zusammensetzung im Parlament in Zukunft eine andere ist und dort hoffentlich Rot und Blau keine Mehrheit haben.


Der Bürger Kurz nun im Wahlkampf gegen das Establishment?

Wenn Sie sich zurückerinnern an die vorige Woche, werden Sie feststellen, dass ich gemeinsam mit dem Bundespräsidenten alles versucht habe, um für Stabilität zu sorgen. Ich glaube, dass es für das Land gut gewesen wäre, wenn die Regierung mit zusätzlich angelobten Experten in aller Ruhe die Amtsgeschäfte bis zur Wahl fortgeführt hätte; wenn die Regierung sich bemüht hätte, unser Ansehen im Ausland wieder herzustellen und auch die volle Aufklärung aller im Raum stehenden Vorwürfe sichergestellt hätte. Das war der Weg, den ich für richtig erachtet habe, das war auch der Weg, den der Bundespräsident für richtig erachtet hat. Ich werde jetzt auch keinen Wahlkampf gegen andere Parteien und schon gar nicht gegen das Parlament führen, sondern ich werde dafür werben, dass wir als Volkspartei unseren Kurs fortsetzen dürfen. Dass wir das, was wir begonnen haben, den Kampf gegen illegale Migration, das Ende der Schuldenpolitik, die Steuerentlastung für arbeitende Menschen, die Reformen in unserem Land, die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, dass wir all das fortsetzen können. Dafür werde ich werben. Ich werde weder andere anpatzen noch schlechtmachen und meinem Stil treu bleiben. Und im September werden die Wähler entscheiden.

Am Montag im Parlament hatte man den Eindruck, die Brücken zwischen der SPÖ und Ihnen, zwischen der FPÖ und Ihnen seien abgerissen. Mit wem wollen Sie regieren nach der Wahl?

Natürlich werden Sie verstehen, dass wir nach dem gestrigen Tag dafür werben werden, dass wir gestärkt werden und nicht Rot-Blau eine Mehrheit im Parlament hat. Ich werde inhaltlich dafür werben, dass der Kurs, den diese Bundesregierung politisch eingeschlagen hat, fortgesetzt werden kann.


Sie hätten ihn mit der FPÖ fortsetzen können.

Die FPÖ hat diese Regierungsarbeit zerstört.


Weil Sie ohne Herbert Kickl weitermachen wollten.

Die Enthüllungen des Videos waren für viele zu Recht schockierend. Leider bewies der Umgang der Freiheitlichen mit diesen Enthüllungen zu wenig Bewusstsein, was die Dimension betrifft. Sie zeigten keine Bereitschaft, eine unabhängige Aufklärung sicherzustellen. Und Herbert Kickl hatte wenig Sensibilität im Umgang mit dem Thema. Sein Fokus war rein auf diejenigen gerichtet, die dieses Video in Auftrag gegeben haben und die natürlich auch verfolgt werden müssen, und nicht auf die sehr verstörenden Inhalte.


Und wer war es?

Es gibt klare Indizien, von wem dieses Video erstellt wurde. Es gibt auch erste Indizien, wer die Geldgeber und Auftraggeber gewesen sein könnten. Nach meinen eigenen Erfahrungen mit Tal Silberstein, der von der SPÖ beauftragt wurde, im Nationalratswahlkampf antisemitische Homepages zu erstellen, die dann mir in die Schuhe geschoben wurden, um uns bei Medien und Bevölkerung in ein schlechtes Licht zu rücken, weiß ich nicht nur, dass es solche Methoden gibt, sondern auch, dass am Ende jeder Spuren hinterlässt und alles irgendwann immer ans Tageslicht kommt.


Sie glauben also nach wie vor, dass Tal Silberstein dahintersteckt?

Ich bin hier sehr vorsichtig mit meinen Aussagen, aber wenn ich mir ansehe, wer die handelnden Personen sind, die dieses Video beauftragt oder zumindest weiterverkauft haben, mit wem die Hersteller des Videos sonst zusammenarbeiten, ergibt sich für mich doch ein gewisses Bild, das mich persönlich nicht überraschen würde. Am Ende des Tages kommt immer alles ans Licht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2019)

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