Radsport: Doping hat den Giro fest im Griff

Doping Giro fest Griff
Doping Giro fest Griff(c) Reuters (Roberto Bettini)
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Obwohl die Veranstalter des Giro d'Italia das Thema totschweigen wollen, bestimmt Doping die Berichterstattung. Dank des Blutpasses wurden drei Radprofis vor dem Start aus dem Verkehr gezogen.

Amsterdam. Der Giro d'Italia und Doping, das ist eine lange, intensive Beziehung. Bis auf Paolo Savoldelli (2002, 2005) sind alle Gesamtsieger seit 1997 des Dopings überführt worden oder zumindest als Teil von Dopingskandalen unter Verdacht geraten. Allein die ersten Drei des Vorjahres sind alles andere als über jeden Zweifel erhaben: Titelverteidiger Dennis Mentschow, heuer wegen der Vorbereitung auf die Tour de France nicht in Italien am Start, soll Kunde von Humanplasma in Wien gewesen sein. Der Sieger 2007 und Gesamtzweite 2009 Danilo Di Luca wurde wiederholt positiv getestet und ist gesperrt. Der Vorjahresdritte und Bergkönig der Tour de France 2009, Franco Pellizotti, wurde Anfang der Woche wegen auffälliger Blutwerte suspendiert.

Die Giro-Verantwortlichen schweigen vor dem Start der 93.Italien-Rundfahrt heute in Amsterdam zum Thema Doping. Die Topfavoriten auf den Gesamtsieg, Alexander Winokurow und Ivan Basso, haben beide eine ein- bzw. zweijährige Dopingsperre hinter sich. Als sie nun über ihre Siegpläne auf einer Pressekonferenz Auskunft gaben, waren Fragen zum Thema Nummer eins im Radsport allerdings nicht erlaubt.

Blutpass als Durchbruch

Dabei gäbe es viel zu erzählen. Über den Blutpass zum Beispiel. Jenes Instrument der Dopingjäger, das Anfang der Woche Pellizotti (Italien), Tadej Valjavac (Slowenien) und Jesus Rosendo (Spanien) zum Verhängnis wurde. Pellizotti weist jede Schuld von sich, er nennt seine Suspendierung einen „Witz“. Die verdächtigen Tests hat er 2009 vor der Tour de France abgegeben.

Seit 2007 müssen sich rund 700 Profis regelmäßig Blut abnehmen lassen. Verschiedenste Werte und Parameter werden von der UCI, dem internationalen Radsportverband, im biometrischen Pass, umgangssprachlich Blutpass genannt, gespeichert. Mathematische Programme definieren für jeden Fahrer individuelle Grenzwerte. Greift ein Fahrer zu verbotenen Mitteln, werden diese Grenzen überschritten und die UCI sieht den Beweis für Doping erbracht. Und das, obwohl kein positiver Dopingtest im herkömmlichen Sinn vorliegt. Der Radsport feiert den Blutpass als großen Durchbruch im Anti-Doping-Kampf. „Das Blutprofil ist im Moment die mit Abstand beste aller Möglichkeiten“, sagte Rolf Aldag, der ehemalige Dopingsünder, Ex-Profi und Manager von Bernhard Eisels Team Columbia-HTC. „Nun kann man sagen, wir wissen gar nicht, mit was einer gedopt hat, aber wir sind sicher, dass er etwas gemacht hat.“ Es müsse nicht mehr für jedes Präparat langwierig ein Testverfahren entwickelt werden.

Bislang sind acht Radprofis aufgrund verdächtiger Schwankungen bei ihren Blutwerten aus dem Verkehr gezogen worden. Ihre Werte werden von weltweit führenden Hämatologen untersucht. Erst wenn sich die Experten einig sind, dass der Missbrauch verbotener Substanzen vorliegt, wird die UCI informiert. Diese entscheidet dann über die Eröffnung eines Dopingverfahrens.

Linus Gerdemann, Kapitän des Teams Milram und Teamkollege von Thomas Rohregger, ist vorsichtig optimistisch, was den Blutpass angeht: „Ich finde es grundsätzlich positiv, wenn ein Sportler ohne positiven Test gesperrt werden kann.“ Dass es immer wieder Dopingskandale geben wird, davon ist der Deutsche überzeugt. „Es wird weiterhin Fahrer geben, die eine gewisse Dreistigkeit an den Tag legen.“

Der ewige Zweite

Der Giro d'Italia, der ewige Zweite der großen Rundfahrten hinter der Tour de France, hat neben dem Doping ein zweites Problem. Die Publikumslieblinge und Objekte des Medieninteresses glänzen 2010 durch Abwesenheit. Neben Titelverteidiger Mentschow bereitet sich auch der beste Rundfahrer der Welt, Alberto Contador, in den kommenden drei Wochen lieber auf die Tour de France vor. Und Superstar Lance Armstrong gibt sich bei der Kalifornien-Rundfahrt die Ehre.

Dem Giro d'Italia bleiben damit nur die umstritten Stars: Alexander Winokurow, Ivan Basso und Konsorten. Trotz sportlicher Hochleistungen wird am Ende wieder ein schaler Nachgeschmack bleiben. Weil wieder das Problem Doping den Giro d'Italia überschattet. Noch bevor heute der Sieger der ersten Etappe feststeht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2010)

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