Der Sonderermittler tritt ab und lässt die Nation wissen, dass er Donald Trump keineswegs für unschuldig hält. Nun ist der Kongress am Zug, die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens scheint möglich.
New York. Kurz vor Verlassen der großen Bühne meldete sich Robert Mueller doch noch zu Wort. Zwei Jahre lang hatte der Sonderermittler eisern geschwiegen, am späten Mittwoch trat er dann vor die Mikrofone. Es sei keineswegs erwiesen, dass Donald Trump kein Verbrechen begangen habe, ließ der Republikaner wissen. Jedoch würde das US-Gesetz klar vorsehen, dass einem amtierenden Präsidenten nicht der Prozess gemacht werden kann. Deshalb wäre es unseriös gewesen, Trump offiziell der Justizbehinderung zu bezichtigen.
Auch wenn Mueller großteils nur wiederholte, was er ohnehin bereits in seinem Abschlussbericht geschrieben hatte, sendeten seine Kommentare Schockwellen durch Washington. Der einstige FBI-Chef, der im Mai 2017 als Sonderermittler eingesetzt worden war, widersprach sinngemäß Justizminister William Barr, der den Report großteils als Freispruch für Trump interpretierte. “Wir sind nicht zu dem Urteil gekommen, dass der Präsident kein Verbrechen begangen hat,” sagte Mueller in seiner zehnminütigen Rede, nach der er keine Fragen der anwesenden Journalisten beantwortete.
Einmischung Russlands bei den US-Präsidentschaftswahlen
Mueller übernahm vor zwei Jahren die Untersuchungen des FBI, sein Mandat bestand vor allem darin, eine Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahlen 2016 zu untersuchen. Moskau habe eindeutig versucht, mit unlauteren Methoden das Ergebnis der Abstimmung zu beeinflussen, so Muellers Schlussfolgerung. “Diese Behauptung verdient die Aufmerksamkeit jedes einzelnen Amerikaners,” sagte Mueller — wohl eine direkte Anspielung auf Trump, nicht zuletzt, weil der Präsident die Rolle Russlands stets als nicht entscheidend abgestempelt hatte.
Freilich: Vom Vorwurf der Verschwörung sprach der Sonderermittler die Wahlkampagne Trumps eindeutig frei. Weder der nunmehrige Präsident noch jemand aus seiner nächsten Umgebung hätten bewusst mit den Russen kooperiert. Von einer “kompletten Entlastung” spricht demnach Trump. Er ortete in den Untersuchungen eine Hexenjagd der Demokraten gegen seine Person.
„Der Report ist meine Aussage“
Selbst wenn Mueller in seiner Ansprache betonte, dass dies sein letzter offizieller Auftritt sein sollte: beendet ist die Angelegenheit noch lange nicht. Der Ball liegt nun beim Kongress, wobei das von den Demokraten dominierte Abgeordnetenhaus den Sonderermittler auch gegen dessen Willen zum Kreuzverhör vorladen könnte. “Der Report ist meine Aussage,” ließ Mueller ausrichten. Soll heißen: Mehr würde er auch in den ehrwürdigen Räumlichkeiten des Kapitols nicht sagen. Mit seinem Auftritt am Mittwoch gab der 74-Jährige auch gleich seinen Rücktritt von allen Funktionen bekannt. Von nun an sei er “eine private Person”.
Mit Spannung wartet die Öffentlichkeit nun darauf, ob das Repräsentantenhaus ein Verfahren zur Amtsenthebung gegen Trump einleiten wird. Die oberste Demokratin, Nancy Pelosi, hat sich bislang hinter den Kulissen dagegen ausgesprochen. Ihr Kalkül: Trump würde einen derartigen Schritt politisch ausnützen, indem er sich als Opfer darstelle und so seine konservative Basis vor den Wahlen 2020 aktiviere.
“Der Fall ist geschlossen! Danke.”
Allerdings mehrten sich zuletzt die Stimmen innerhalb der demokratischen Partei, die ebendiesen Schritt einforderten. Es sei eindeutig, dass Trump Mitarbeiter zur Lüge anstiftete und unter anderem durch die Entlassung von FBI-Direktor James Comey versucht habe, die Arbeit der Justiz zu behindern, so der Tenor unter den Liberalen. “Es liegt nun am Kongress, auf die Verbrechen, Lügen und anderen Missetaten von Präsident Trump zu antworten”, sagte Jerrold Nadler, der Vorsitzende des Justizausschusses.
Mueller jedenfalls gab indirekt zu verstehen, dass er ein Amtsenthebungsverfahren als legitimen Schritt sieht. Zwar seien dem Justizministerium die Hände gebunden, so der Sonderermittler. Die Verfassung sehe aber eben explizit ein derartiges Verfahren als Alternative vor, sagte er. Allerdings: Eine realistische Möglichkeit, dass Trump tatsächlich vorzeitig aus dem Weißen Haus ausziehen muss, besteht derzeit nicht. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit im Senat, in dem die Republikaner die Mehrheit halten, erforderlich. “Der Fall ist geschlossen! Danke.” schrieb Trump nach der Rede Muellers auf Twitter.