Eine Übergangsregierung – mit Betonung auf Übergang

APA/HANS PUNZ
  • Drucken

Österreich hat eine Bundeskanzlerin, der Bundespräsident macht einen hervorragenden Job und ein Abgeordneter der Liste Jetzt hat eine Idee.

Alfred J. Noll hat eine Idee: SPÖ und FPÖ sollten Herrn Kurz in der Grube sitzen lassen, die er selbst ausgehoben habe und im September nicht wählen lassen, also keinen Neuwahlbeschluss fassen, meinte der Abgeordnete der Liste Jetzt. Man stelle sich vor, ein Freiheitlicher hätte so eine Idee gehabt. Die Hölle wäre los, die Demokratie in Gefahr.

So aber: Tolle Idee! Freies Spiel der Kräfte! Wobei dagegen ja auch nichts zu sagen wäre, nach einer Wahl, es wäre ein demokratisch zulässiges, vielleicht sogar spannendes Experiment, wenngleich auf Dauer nicht wirklich zielführend. Aber vor einer Wahl ist die Absicht doch erkennbar: Die SPÖ will so spät wie möglich wählen lassen, da zuvor die Senioren, eine ihrer größten Wählergruppen, teils noch auf Urlaub sind (allerdings haben diese bei der EU-Wahl überdurchschnittlich ÖVP gewählt). Die FPÖ will so spät wie möglich wählen lassen, damit so viel Gras wie möglich über die Ibiza-Sache gewachsen ist. Und die Liste Jetzt alias Liste Pilz würde wohl gern die gesamte Legislaturperiode noch auskosten. Denn bei Neuwahlen wird sie es voraussichtlich nicht mehr in den Nationalrat schaffen.

Man darf aber davon ausgehen, dass auch der Bundespräsident solchen Fantasien eine Absage erteilen wird. Er setzt nun eine Übergangsregierung ein. Mit Betonung auf Übergang. Dass diese Regierung dann einfach weiterregiert, mit einer Mehrheit im Parlament aus SPÖ, FPÖ und Liste Pilz, ist absurd. Denn diese Regierung hat keiner gewählt. Nun werden die besonders Schlauen einwenden: Keine Regierung ist gewählt, gewählt werden die Abgeordneten zum Nationalrat. Das ist richtig. Aber auf Basis der Stärke der Parteien finden dann Koalitionsverhandlungen statt, an deren Ende eine Regierung steht. Das findet hier nicht statt. Diese neue Regierung wird vom Bundespräsidenten eingesetzt. Um ein Funktionieren der Verwaltung bis zum Tag, an dem wieder der Souverän, der Wähler, das Wort hat, zu gewährleisten.

Alexander Van der Bellen hat sich bisher strikt der Verfassung entlang bewegt, auch keine Spielräume ausgereizt. Er hat sich an die geschriebenen und auch ungeschriebenen Gesetze, an die demokratischen Usancen gehalten. So könnte er theoretisch auch die erst vor kurzem angelobten Expertenminister wieder bestellen. Doch da der Nationalrat am Montag auch ihnen das Misstrauen ausgesprochen hat, wird er es nicht tun. Es käme einer Brüskierung des Parlaments gleich.

Bierlein, die logische Wahl

Van der Bellen hat nun auch eine passende Wahl für die Leitung des Übergangs getroffen: die Präsidentin des Verfassungsgerichtshof, Brigitte Bierlein. Die an sich auch logische Wahl. Die Frage war, ob sie diese Tätigkeit übernehmen wollte. Sie wollte offensichtlich. Damit ist garantiert, was auch die Intention des Bundespräsidenten ist: Dass in der Phase des Übergangs nicht Politik gemacht wird, sondern das Funktionieren der Organe des Staates gewährleistet. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Beamtenregierung. Aber es wäre nicht Österreich, wäre nicht auch diese fein austariert: Brigitte Bierlein, die auf einem ÖVP-Ticket im Verfassungsgerichtshof saß, als Kanzlerin. Der SPÖ-nahe Clemens Jabloner als Vizekanzler.

Das Parlament kann nun in einem freien Spiel der Kräfte ja noch immer beschließen, was es möchte. Es könnte dann nur teuer werden. Was das Parlament aber nicht tun sollte, ist, an den demokratischen Usancen, die eben der Bundespräsident peinlichst genau einhält, herumzudeuteln: Es sollte nicht die Übergangsperiode künstlich verlängern, um daraus parteipolitische Vorteile zu lukrieren, sondern dem Wähler schnellstmöglich die Gelegenheit zu geben, zu beurteilen, was da seit der Nationalratswahl 2017 geschehen ist: in der Regierung, auf Ibiza, in den Oppositionsreihen. Somit auch bei der Liste Jetzt, die damals noch Liste Pilz hieß.

Und weil es in der Vergangenheit immer wieder die Frage gab, wozu es eigentlich einen Bundespräsidenten braucht: Nun weiß man es. Alexander Van der Bellen macht dieser Tage einen großen Job, wie die von ihm so geschätzten Angelsachsen sagen würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.