„Vorsicht vor überzogenen Versprechen“

Die Chemie zwischen Nachhilfelehrer und -schüler ist entscheidend, eine Probestunde daher Pflicht.
Die Chemie zwischen Nachhilfelehrer und -schüler ist entscheidend, eine Probestunde daher Pflicht.Getty Images/iStockphoto
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Außerschulische Unterstützung ist gefragt. Was macht gute Nachhilfelehrer aus?

Bereits jeder dritte Schüler nimmt laut aktueller AK-Umfrage Nachhilfe in Anspruch. Studierende, Lehrer und sonstige Wissende greifen Schülern gern unter die Arme, um deren Lernerfolg zu verbessern. Angesichts der Fülle gilt es, die Anbieter sorgsam auszuwählen. „Am besten, man fragt andere Eltern nach guten Nachhilfelehrern oder Erfahrungen mit Anbietern, die man in Betracht zieht“, rät Kurt Kremzar von der AK Wien. Norbert Plankenauer-Sator vom gleichnamigen Lerninstitut empfiehlt darüber hinaus, online nach Bewertungen zu suchen.

Hat man so den einen oder anderen Anbieter ins Auge gefasst, gilt es, diesen genauer unter die Lupe zu nehmen – im Idealfall gemeinsam mit dem Nachhilfeschüler. Dabei ist es durchaus legitim, sich nach den Qualifikationen der Unterrichtenden zu erkundigen. Im Institut von Plankenauer-Sator seien alle Lehrer diplomierte Lerncoaches. Diese Ausbildung helfe nicht nur, die Schüler zum Lernen zu motivieren, die Stunden spannend aufzubauen und den Lerninhalt gut zu vermitteln, sondern auch, die Gründe für die Schulprobleme zu erkennen. Etwa ob es sich um Faulheit oder Legasthenie handelt. „Das bedarf einer gewissen Sensibilisierung, die in der Schule meist untergeht“, sagt Plankenauer-Sator.

Erstgespräch entscheidend

Die Art, wie das Erstgespräch geführt wird, ist für Konrad Zimmermann, Geschäftsführer des Lernquadrats, das rund 80 Standorte betreibt, ein weiteres Qualitätsmerkmal. Vom Nachhilfeanbieter sollte beispielsweise danach gefragt werden, wie sich der Schüler mit dem Lehrer in der Schule tut, ob Hausübungen aufgegeben und auch kontrolliert werden und vieles mehr. „Der Fragenkatalog umfasst zwischen 20 und 40 Fragen. Damit erkennt man, was das Kind wirklich braucht.“ Denn nicht immer sei das so ganz klar. „Die Mutter kommt und sagt, dass das Kind Mathe-Nachhilfe braucht. Im Lauf des Gesprächs stellt sich aber heraus, dass der Schüler zu wenig Deutsch kann, um die Angaben zu verstehen, und eigentlich in Mathe gar nicht so schlecht ist“, erzählt Zimmermann. Dass dieses Gespräch nicht mit Kosten verbunden sein sollte, versteht sich für Plankenauer-Sator von selbst. Er plädiert zudem dafür, dass so ein Gespräch in regelmäßigen Abständen wiederholt wird.

Ebenso legitim ist den Experten zufolge die Frage nach der Gruppengröße. „Eine Gruppe hat das Kind ja ohnehin in der Schule. Und dort scheint es ja nicht zu funktionieren – warum sollte es dann in der Nachhilfe in einer größeren Gruppe klappen?“, fragt Plankenauer-Sator. Er bietet daher auch Einzelunterricht an, während Zimmermann auf Kleinstgruppen mit zwei bis sechs Schülern setzt. Die Dauer der Lerneinheiten sollte ebenfalls vor dem Einschreiben geklärt werden, können diese doch zwischen 45 und 100 Minuten variieren – ein wichtiger Faktor für den Preisvergleich. Geklärt werden sollte weiters, ob es eine Bindungsfrist gibt. Falls ja, sollte man sich überlegen, ob die Nachhilfe tatsächlich so lang benötigt wird.

Probestunde testet „Chemie“

Eine (Gratis-)Probestunde hilft, nicht nur den ersten Eindruck in der Praxis zu überprüfen, sondern zeigt auch, ob die Chemie zwischen Lehrer und Schüler stimmt. Ein Punkt, der oft nicht bedacht wird – sehr zum Leidwesen der Experten. „Ohne Beziehungsaufbau funktioniert das Lernen nicht“, ist Zimmermann überzeugt. Studien hätten gezeigt, dass sich nur der, der entspannt sei, gut konzentrieren und optimale Leistungen erbringen könne. „Deshalb ist es wichtig, dass sich nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer wohlfühlen“, sagt Zimmermann. Auch Plankenauer-Sator hält den Aufbau von Vertrauen zwischen Nachhilfelehrer und -schüler für immens wichtig. Weil dieses Vertrauen erst mit der Zeit entstehe, sollte auch der Lehrer nicht dauernd wechseln.

Er warnt im Übrigen vor überzogenen Erfolgsversprechen: „Prozentsätze über Lernerfolge sind mit Vorsicht zu genießen.“ Und nennt noch ein Qualitätskriterium: Nachhilfelehrer sollten bereit sein, sich gegebenenfalls mit den Lehrern in der Schule in Verbindung zu setzen. Etwa wenn der Schüler in der Nachhilfe eindeutig Lernfortschritte erzielt, diese in der Schule aber nicht umsetzen kann.

AUF EINEN BLICK

Auswahlkriterien für Nachhilfelehrer beziehungsweise -institute:

Empfehlungen sind ein guter Indikator. Neben persönlichen Erfahrungen von Bekannten können Onlinebewertungen hilfreich sein. Ein ausführliches Erstgespräch vermittelt einen ersten Eindruck. Dabei sollte auf die spezifische Problematik des Schülers eingegangen werden. Ebenso werden organisatorische Fragen wie Gruppengröße und Dauer der Unterrichtseinheit geklärt. Eine Gratis-Probestunde testet die Chemie zwischen Lehrer und Schüler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2019)

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