Die Burg, in der nur die Stunden zählen

Auf Granitfelsen wurde die Burg Rappottenstein im Waldviertel einst erbaut – und später erweitert.
Auf Granitfelsen wurde die Burg Rappottenstein im Waldviertel einst erbaut – und später erweitert.Clemens Fabry / Die Presse
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Mächtig thront die Burg Rappottenstein auf einem Felsen im Waldviertel. Die Tour durch die historisch gewachsene Festungsanlage führt nicht nur durch mehrere Bauepochen – sondern auch ins Verlies.

Immer wieder ist der Graf höchstselbst zugegen, um in seiner Burg nach dem Rechten zu sehen. Allerdings, so erzählt es der Burgführer, nächtigt der Graf dann gar nicht in der historischen Anlage selbst, sondern in einem Nebengebäude außerhalb der Burg. Seit mehr als 350 Jahren schon steht die Burg Rappottenstein im nordwestlichen Waldviertel im Besitz der Grafen von Abensperg und Traun, die sie nicht nur im Rahmen von Führungen zugänglich machen, sondern einige Räumlichkeiten auch für Veranstaltungen vermieten.

Auf dem Weg zum Burgtor, das von zwei breiten Türmen umrahmt ist, ahnt man als Besucher gleich, welchen Eindruck die Anlage mit ihren drei Meter dicken Mauern auf potenzielle Angreifer machen sollte: Mächtig thront sie da, auf einem Granitfelsen, über dem sie sich aufzutürmen scheint. Wer hier nicht eingelassen wird, kommt auch nicht hinein. Und tatsächlich: Kein einziges Mal im Laufe ihrer 850-jährigen Geschichte konnte die Burg eingenommen werden.

Wieso die Angreifer erfolglos waren, versteht man gleich zu Beginn der Führung, wenn man durch fünf Vorhöfe und acht Tore (die Zugbrücken gibt es leider nicht mehr) langsam bergauf spaziert. Die Höfe waren, erzählt der Burgführer, so angelegt, dass die Gegner mit ihrem ungeschützten Schwertarm dem Beschuss der Verteidiger ausgeliefert waren. Dreimal wurde die Burg belagert – zuletzt von den Schweden im Jahr 1645 – eingenommen werden konnte sie aber nie.

Die Kapelle (ganz r.) liegt im ältesten Teil der Burg, der Flügelaltar stammt aus dem 15. Jahrhundert.
Die Kapelle (ganz r.) liegt im ältesten Teil der Burg, der Flügelaltar stammt aus dem 15. Jahrhundert.Clemens Fabry / Die Presse

Immer wieder geht es vorbei an den imposanten Granitfelsen, die fließend in die Burgmauer überzugehen scheinen. An der Anlage wurde insgesamt rund 400 Jahre gebaut, weshalb man in der Burg auch auf unterschiedliche Bauepochen trifft. Romanik, Gotik, Renaissance. Ein Beispiel für Letztere ist der vielleicht schönste Teil der Burg: Ein sehr gepflegter Arkadenhof, den man so nicht erwartet hätte und der durchaus italienisch anmutet. Eine Inschrift in der Mauer verrät – in aus heutiger Sicht hochinteressanter Schreibweise – das Entstehungsjahr: „Im 1574 jar ist dises gepei gemachd worden.“ Durch die hübschen Arkadengänge hindurch geht es weiter in verschiedene Räume wie die historische Küche oder die Waffenkammer, in der man einen Eindruck davon bekommt, wie schwer Ritter an Kettenhemd und Rüstung zu tragen hatten. In einem kleineren Raum sind historische Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert zu sehen, möglicherweise ist hier einer der früheren Burgherren verewigt. Aus der Gotik wiederum stammt die zweistöckige Kapelle, der Burgherr hatte einen direkten Zugang von seinen Wohnräumlichkeiten zur Kapelle. Ihren Namen hat die Burg Rappottenstein übrigens von Rapoto von Kuenring, der im 12. Jahrhundert gelebt hat und als Erbauer der Burg gilt.

Einer der einst bewohnten Räume.
Einer der einst bewohnten Räume. Clemens Fabry / Die Presse

Ein Höhepunkt des Besuchs ist sicher der kleine, hübsche Burggarten. Auf 776 Metern Seehöhe kann man die Aussicht genießen, ist aber auch der alten Turmuhr ganz nah, die nur die Stunden anzeigt – und ahnen lässt, dass das Zeitverständnis früher ein anderes war.

Verlies

Im Burggarten befindet sich aber auch der Hungerturm, in den früher Gefangene geworfen wurden. Wie grausam die alten Zeiten waren, sieht man dann auch im Verlies, in dem Gefangene ohne Tageslicht ausharren mussten. Ab 8. Juni wird die historische Festungsanlage übrigens den Sommer über wieder zur „Klangburg Rappottenstein“: Am 27. Juli etwa tritt Wolfgang Ambros auf. Immer wieder wird die Burg auch – in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz Niederösterreich – zur „Kinderburg“. Familien mit schwer kranken Kindern oder jene, die einen Schicksalsschlag erlitten haben, können auf der Burg ein paar Tage verbringen und werden dabei auch therapeutisch unterstützt.

Während der Führung gelangt man auch ins Verlies.
Während der Führung gelangt man auch ins Verlies.Clemens Fabry / Die Presse

Burgbesuch

Die Burg Rappottenstein im nordwestlichen Waldviertel kann nur im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Diese finden derzeit (bis 30.9.) von Di bis So um 11, 12, 14, 15 und 16 Uhr statt. Erwachsene: 11 Euro, Senioren: 9, Kinder (bis 15 J.): 6 Euro.
www.burg-rappottenstein.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2019)

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