In Bukarest werden die Karten neu gemischt

Der dreitägige Besuch von Papst Franziskus hat die Bevölkerung Rumäniens etwas von den schweren innenpolitischen Turbulenzen abgelenkt.
Der dreitägige Besuch von Papst Franziskus hat die Bevölkerung Rumäniens etwas von den schweren innenpolitischen Turbulenzen abgelenkt.(c) REUTERS (VATICAN MEDIA)
  • Drucken

Der Papstbesuch brachte vorübergehend Ablenkung von den innenpolitischen Turbulenzen.

Bukarest/Belgrad. Der dreitägige Besuch von Papst Franziskus hat die Bevölkerung Rumäniens etwas von den schweren innenpolitischen Turbulenzen abgelenkt, in die das Land nach der Europawahl und dem Antreten einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe des bisherigen Parlaments- und Sozialistenchefs, Liviu Dragnea, vor einer Woche geraten war. Zum Abschluss seiner Rumänien-Rundreise sprach der Papst am Sonntag sieben Bischöfe der katholischen Minderheit selig, die während der kommunistischen Herrschaft schwer gefoltert worden waren und später in Klosterhaft starben. Vor 60.000 Gläubigen im siebenbürgischen Blaj rief Franziskus zum Kampf gegen „neu aufkommende Ideologien" auf, die gegen den Wert des Lebens und der Familie gerichtet seien.

Seit dem Gang von Dragnea ins Gefängnis scheint in Bukarest alles anders. Im sich verschärfenden Machtkampf hat die sozialistische Regierungschefin, Viorica Dancila, alle Rücktrittsforderungen zurückgewiesen, zumal sie im Parlament auf eine intakte Mehrheit bauen kann. Ihrem eingekerkerten Parteichef weinen dabei seine früheren Mitstreiter in der sozialistischen PSD keine Träne nach. Sie bedaure das „persönliche Drama" von Dragnea, versicherte Regierungschefin Dancila, und ließ sich sogleich selbst zur interimistischen Parteichefin küren.

Schluss mit den Justizdiskussionen!

Der Parteikönig ist tot, es lebe die Königin. Mehreren treuen Gefolgsleuten von Dragnea hat die lang selbst als dessen loyale Marionette geltende Dancila bereits den Laufpass gegeben. Und an ihren Rücktritt verschwende sie keine Gedanken, hatte sie schon unmittelbar nach der Europawahl erklärt, bei der die Regierungspartei mit nur noch 22,5 Prozent gut die Hälfte ihres Stimmenanteils von 45 Prozent bei der Parlamentswahl 2016 eingebüßt hatte. Die endlosen Debatten über den von Dragnea forcierten Umbau der Justiz hätten „die Partei begraben", war ihre Erklärung für das Debakel. Deshalb: „Stoppt die Diskussionen über die Justiz."

Dragneas Erben bleiben nur die von ihm hinterlassenen Scherben: Diese Woche will Dancila bei einem Treffen mit EU-Kommissar Frans Timmermans in Brüssel den drohenden Ausschluss der PSD aus der sozialdemokratischen SPE verhindern. Auch in Bukarest werden die Karten neu gemischt. Die angeschlagene PSD sieht sich zwar in die Defensive gedrängt, doch Dancila lässt sich auch von einem drohenden Misstrauensvotum nicht erschrecken. Denn im Parlament in Bukarest haben die Sozialisten nach wie vor eine solide Mehrheit.

Zwar hat die Partei der ungarischen Minderheit (UNMR) die Unterstützung für die Regierung offiziell aufgekündigt, auch verweigert die von der PSD abgespaltene Pro-Romania-Partei von Ex-Premier Victor Ponta eine Kooperation. Dennoch hat die PSD den von ihr nominierten Marcel Ciolacu für die Nachfolge von Dragnea als Parlamentsvorsitzenden erstaunlich problemlos durchgebracht. Mit der klaren Mehrheit von 172 zu 120 Stimmen ist der frühere Vizepremier gewählt worden.

Gleichwohl hat Dancilas Regierung nicht nur von der erstarkten Opposition, sondern auch von Staatschef Klaus Johannis bis zur Präsidentenwahl im Herbst verstärkten Gegenwind zu erwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Klaus Johannis
Außenpolitik

Rumänien: Staatschef fordert Rücknahme der Justizreform

Staatspräsident Klaus Johannis hat eine umgehende Rücknahme der umstrittenen Justizreform gefordert. Es gehe um die „Festigung der europäischen Zukunft“ des Landes.
Regierungschefin Viorica Dăncilă.
Außenpolitik

Rumänien: Regierung will Frieden mit EU

Regierungschefin Dăncilă gelobt Ende der Justizpläne.
Der Papst und der Patriarch.
Weltjournal

Papst ruft Rumänien zu mehr Demokratie auf

Der Papst appellierte, die Schwächsten und Ärmsten in die Gesellschaft zu integrieren. Auf dem Programm stand auch ein besuch beim rumänisch-orthodoxen Patriarchen.
Bis zum Sonntag besucht Papst Franziskus Rumänien.
Religion

Den Papst zieht es neuerlich auf den Balkan

Bis zum Sonntag besucht Papst Franziskus Rumänien. Die Visite steht im Zeichen mehrerer Seligsprechungen und der aktuellen politischen Krise im Land. Die Politikertreffen können brisant werden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.