Polizeigewalt auf Klimademo? Neue Vorwürfe, neue Demo

Screenshot Twitter / Ende Geländewagen
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Einem Aktivisten soll bei dem Polizeieinsatz die Hand gebrochen worden sein. Ein zweites Video zeigt eine weitere umstrittene Festnahme. Aktivisten haben für Donnerstag eine Demo angekündigt. Auch Neos, SPÖ und Liste Jetzt fordern Konsequenzen.

Die mutmaßliche Polizeigewalt bei der Räumung einer Blockade von Klimaaktivisten am Freitag auf dem Ring zieht immer weitere Kreise. Einem Aktivisten soll die Hand gebrochen worden sein. Ein weiteres Video zeigt einen Aktivisten, der bei der Festnahme beinahe von einem Polizeiauto erfasst wurde. Nun haben die Teilnehmer eine weitere Demonstration am Donnerstag in Wien angekündigt. Sie soll unter dem Titel "Halt der Polizeigewalt - für ein gutes Leben für alle" am Ort des Geschehens abgehalten werden. Die Neos, die SPÖ und Greenpeace forderten in Aussendungen am Dienstag die lückenlose Aufklärung der Fälle.

Immer mehr Videos zeigen laut der Gruppierung "Ende Geländewagen" ein "unverhältnismäßiges Vorgehen der Polizei" bei der Aktion am Freitag. "Die Polizei ist bei der Räumung sehr rabiat vorgegangen und in vier Fällen, die uns bisher bekannt sind, kam es zu schlimmeren Verletzungen. Dazu kommen zahlreiche Blutergüsse", begründete Sina Reisch, Pressesprecherin der Aktion, den Vorwurf.

Am Montagabend tauchte ein Video vom Fall eines deutschen Aktivisten auf. Auf dem Video ist zu sehen, wie er von zwei Beamten auf dem Boden nahe eines Streifenwagens fixiert wird. Als sich das Fahrzeug kurz darauf in Bewegung setzt, wird Schindlers Kopf offenbar beinahe von einem der Räder erfasst, er wird im letzten Moment von den Polizisten hochgerissen.

Er war am Rande der Sitzblockade gestanden und hatte die Aktion gefilmt, als er von Polizisten weggeschickt wurde, sagte der Aktivist. "Ich wollte die rechtliche Grundlage für diese Maßnahme wissen, doch die Polizei hat dann einfach angefangen, uns zu schubsen, und auf einmal lag ich auf dem Boden", erzählte Anselm Schindler. Der Aktivist soll laut eigenen Angaben 600 Euro Verwaltungsstrafe bezahlen, weil er sich den Aufforderungen der Polizei widersetzt hat.

Die Klimaaktivisten kündigten an, sich nicht einschüchtern zu lassen. Die Demonstration wurde am Dienstag erst angemeldet. Geplant sei, sich vor dem Verkehrsministerium zu treffen und dann über den Franz-Josefs-Kai entlang der Urania zur Rossauer Lände zu gehen, sagte Berger der APA.

Hand gebrochen, Polizist schuld?

Zumindest vier Aktivisten sollen durch Polizeigewalt am Freitag verletzt worden sein. Bisher hat niemand der Betroffenen Anzeige erstattet, sie alle wollen sich noch juristisch beraten lassen und fürchten Gegenanzeigen. Unter den mutmaßlichen Opfern ist auch ein Oberösterreicher, dem ein Polizist die Hand gebrochen haben soll. Es soll sich jedoch nicht, wie zunächst angenommen, um den selben Polizisten handeln, gegen den bereits Gewaltvorwürfe bestehen und der am Montag bereits in den Innendienst versetzte wurde. Der verletze Oberösterreicher kündigte im Gespräch mit der APA am Dienstag an, auf jeden Fall an der Demo teilnehmen zu wollen.

Seinen Bruch versorgen ließ der Aktivist erst am Sonntag in einem Krankenhaus in Oberösterreich. Als Ursache gab er an, hingefallen zu sein. Hätte er als Grund Polizeigewalt genannt, "hätte das Krankenhaus Anzeige erstatten müssen", erklärte er. Aus Angst vor Repressionen habe er dies nicht gemacht.

Neos: Keine fairen Verfahren

Die NEOS sprachen sich zusätzlich zu einer lückenlosen Aufklärung für eine Reform im Beschwerdeverfahren aus. Verlangt wurden auch Konsequenzen: "Ich sehe es sehr kritisch, dass die verdächtigen Beamten nicht vorläufig suspendiert werden - hier geht es um die Gefährdung des Ansehen des Amtes und das Vertrauen der Bevölkerung in unseren Sicherheitsapparat", sagte NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper. Die Beteiligten müssten rasch einvernommen werden, um Absprachen zwischen den Polizisten zu verhindern.

Bürger, die von Polizisten Gewalt erleben, müssen "das berechtigte Vertrauen haben, dass sie ein faires Verfahren erwartet", forderte Krisper. "Dies ist in Österreich seit Jahrzehnten nicht der Fall - was auch von internationalen Expertinnen und Experten sowie dem Anti-Folter-Komitee des Europarates kritisiert wird. Wir brauchen in Fällen von vermeintlicher Polizeigewalt: rasche und unabhängige Ermittlungen. Dafür werde ich mich einsetzen", sagte die Abgeordnete, die bereits am Montag entsprechende parlamentarische Anfragen an Innen- und Justizministerium gerichtet hat.

SPÖ: Beamte bringen Kollegen in Verruf

"Die SPÖ verurteilt Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten aufs Schärfste", betonte SPÖ-Sicherheitssprecherin Angela Lueger in einer Aussendung. Man könne nicht zulassen, dass ein paar gewalttätige Beamte die restlichen tausenden Polizistinnen und Polizisten, die einen sehr guten Job machen, in Verruf bringen. "Ich hoffe auf Aufklärung und Konsequenzen", sagte sie.

Greenpeace verurteilte das "harte Vorgehen der Polizei" gegen Klimaaktivisten. "Klimaschutz ist kein Verbrechen. Polizeigewalt hingegen schon. Innenminister (Wolfgang, Anm.) Peschorn muss für eine lückenlose Aufklärung und für Konsequenzen sorgen. So etwas darf nicht wieder passieren", forderte Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. Die Umweltschutzorganisation distanzierte sich "von allen Formen der Gewaltanwendung". "Die größte Herausforderung der heutigen Zeit ist, die Klimakatastrophe zu verhindern. Dazu müssen wir uns alle gewaltfrei mit aller Kraft einsetzen. Nur so haben auch künftige Generationen die Chance auf eine lebenswerte Zukunft", sagte Egit.

Pilz fordert Suspendierung

Liste JETZT-Gründer Peter Pilz fordert scharfe Konsequenzen für alle an der laut Aktivisten brutalen Räumung einer Blockade von Klimaaktivisten Beteiligten. Alle an Polizeigewalt involvierte Beamte müssten sofort suspendiert werden. "Solche Leute müssen raus aus der Polizei", meinte er Dienstag in einer Pressekonferenz.

Kommt es nicht dazu, werde die Liste JETZT im Nationalratsplenum nächster Woche eine Dringliche Anfrage an den neuen Innenminister Wolfgang Peschorn stellen, kündigte Pilz an. Der Innenminister könne hier "nicht einfach wegschauen, sondern er muss durchgreifen".

(red.)

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