Spitzensport: Zu dumm für das perfekte Doping

dumm fuer perfekte Doping
dumm fuer perfekte Doping(c) EPA (Durand Florence)
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Auch Steffi Graf hat irgendwann von dem Wiener Institut Humanplasma erfahren. Dort haben etwa 30 Spitzensportler jahrelang gedopt. Unter medizinischer Anleitung wurde die fast perfekte Methode des Dopings entwickelt.

Die Methode ist seit den Siebzigerjahren bekannt. Man nimmt sich Blut ab, lagert es und führt es kurz vor dem Wettkampf wieder zu. So hat man mehr rote Blutkörperchen, das Blut kann mehr Sauerstoff transportieren, der Körper bringt eine höhere Leistung. Doch dieses kompliziertes Prozedere, bei dem medizinisches Personal und spezielle Apparaturen notwendig sind, hat sich lange Zeit nicht durchgesetzt. Weil es für Spitzensportler einfachere, billigere Möglichkeiten gab zu dopen. Etwa das Mittel Epo, das die Bildung roter Blutkörperchen verstärkt. Die Sache mit dem Epo ging so lange gut, bis im Jahr 2000 ein Testverfahren entwickelt wurde, mit dem Epo einwandfrei im Körper nachgewiesen werden konnte. Die Dopingjäger hatten eine Wunderwaffe und reihenweise erwischte es Weltklasseathleten. Viele Radprofis, Langläufer und Leichtathleten wurden aus dem Verkehr gezogen.

Und plötzlich besannen sich einige Trainer und Manager der guten, alten, ebenfalls verbotenen Methode des Eigenblutdopings. Im Sommer 2003 sollen der frühere Langlauftrainer Walter Mayer und der damalige Nationaltrainer der österreichischen Ruderer Martin Kessler beim Wiener Plasmaphareseinstitut Humanplasma vorstellig geworden sein. Man wolle Athleten Blut abnehmen und einfrieren. Die Sportler würden sich ihr Eigenblut kurz vor dem Wettkampf wieder abholen. Die Methode war aus sportlicher Sicht verboten, rein rechtlich allerdings einwandfrei. Also entschlossen sich die Verantwortlichen bei Humanplasma für dieses einträgliche Nebengeschäft. Bald schon gaben sich prominente Athleten die Klinke in die Hand. Freilich nur sonntags außerhalb der normalen Öffnungszeiten. Da war man unter sich.

Im Herbst 2003 erfuhr auch die Weltklasseläuferin Steffi Graf von dieser praktischen Einrichtung. Sie ging hin. „Aus Neugier“, sagt sie der „Presse am Sonntag“. Mehr will sie nicht sagen aus rechtlichen und persönlichen Gründen. Der Staatsanwaltschaft hat sie alles gesagt. Unter Eid. Auch, dass sie zwar bei Humanplasma Blut abgenommen habe, dieses aber später nie vor einem Wettkampf dem Körper zugeführt habe. Graf beteuert, nie gedopt zu haben. Die Nada, Österreichs Antidopingagentur, hat diese Woche trotzdem ein Dopingverfahren gegen sie eingeleitet. Dabei soll geklärt werden, ob nicht schon allein der Versuch einen Verstoß gegen die Dopingrichtlinien darstellt.

Die perfekte Methode des Eigenblutdopings kann bis heute medizinisch nicht nachgewiesen werden. Trotzdem wurde das Dopingnetzwerk von einer Sonderkommission der Polizei ausgehoben. Die Ermittler hatten einen großen Verbündeten: die Dummheit der Sportler und Trainer.

Denn was nützt eine perfekte Methode, wenn Österreichs Langläufer und Biathleten die Blutbeutel bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City einfach in den Mistkübel werfen – und sich von einer Putzfrau erwischen lassen? Was nützt das raffinierteste System, wenn die Biathleten und Langläufer vier Jahre später in Turin schon wieder erwischt werden mit Blutbeuteln von der Firma Humanplasma.

Der Skandal bei den Olympischen Spielen 2006 war dann auch der Grund, warum bei Humanplasma plötzlich sonntags die Pforten geschlossen blieben. Die Sache war zu heiß geworden. Blutdoping fand ab 2006 nicht mehr im feinen Institut unter medizinischer Aufsicht statt. Die Blutzentrifuge, mit der die roten Blutkörperchen isoliert werden, stand später im Keller des Sportmanagers Stefan Matschiner. Er betreute unter anderem den Radprofi Bernhard Kohl. Und dieser begnügte sich 2008 nicht mit Eigenblut. Um bei der Tour de France den dritten Gesamtrang zu erringen und das gepunktete Trikot des besten Bergfahrers mit nach Hause zu nehmen, war mehr notwendig. Kohl setzte auf das Blutpräparat Cera. Er glaubte, dass Cera im Gegensatz zu Epo von den Dopingfahndern nicht nachgewiesen werden könne. Er irrte. Im Herbst 2008 wurden er und einige seiner Kollegen überführt. Kohl gab alles zu. Auch, dass er während der Tour 2008 drei Blutbeutel benötigte, um flockig über die Berge zu radeln.

Am 1. August 2008 trat in Österreich auch das Antidopinggesetz in Kraft. Es stellt den Handel mit Dopingmitteln und die Organisation von Doping unter Strafe. Einige Herrschaften warten heute auf eine Anklage. Ein paar kleine Fische wurden sogar schon verurteilt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2010)

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