Klima-Demo: Neue Gewaltvorwürfe gegen Polizei

Inwieweit lief der Einsatz uniformierter Kräfte aus dem Ruder?
Inwieweit lief der Einsatz uniformierter Kräfte aus dem Ruder?(c) Michaela Bruckberger
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Die Vorwürfe gegen Beamte mehren sich. Die Polizei spricht indes von „absurden Anschuldigungen“.

Wien. Die polizeiliche Auflösung einer Demonstration von Klima-Aktivisten aus Österreich und Deutschland sorgt weiter für verhärtete Fronten: Auf der einen Seite stehen Demonstranten, deren Vorwürfe durch Handyvideos unterlegt werden. Auf der anderen Seite steht die Wiener Polizei, die sich erneut zu den Vorfällen vom vorigen Freitag zu Wort meldete und „teils absurde Anschuldigungen, die in sozialen Netzwerken kursieren, aufs Schärfste“ zurückweist.

Zudem meldete die Polizei am Dienstag, dass es bei der Klima-Demonstration, durch die vorigen Freitag der Ring bei der Urania blockiert worden war, zu 96 vorläufigen Festnahmen gekommen sei. Bei gleich 92 Festgenommenen habe die Identität nicht festgestellt werden können. Bei Befragung der angehaltenen Personen sei „lediglich ein Misshandlungsvorwurf“ geäußert worden.

Dabei sei es um den Beamten gegangen, der nun in den Innendienst versetzt wurde. Er hatte einem auf dem Boden liegenden Demonstranten mehrere Faustschläge versetzt. Ein Video zeigt das. Der Mann war von fünf Polizisten fixiert worden. „Fauststöße“ seien als mögliches Zwangsmittel in den Richtlinien für Einsatztraining vorgesehen, hatte es dazu seitens der Polizei geheißen.

Zudem sorgte zuletzt ein weiteres – auch auf sozialen Netzwerken kursierendes – Video für Empörung: Man sieht, wie der deutsche Aktivist Anselm Schindler am Boden fixiert wird – sehr knapp neben einem Polizeibus. Was man auch sieht: Das Fahrzeug setzt sich in Bewegung, zwei Beamte reißen den auf dem Bauch Liegenden hoch, dessen Kopf ansonsten möglicherweise vom Hinterrad des Transporters erfasst worden wäre.

Wollten die Beamten dem Mann Angst machen? Dann könnte man von Folter sprechen. Hatte die Polizei die Situation unter Kontrolle, sodass keine Gefahr bestand? All dies wird nun Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Wien sein. Die Polizei sagt: „Insbesondere die Kommentare und Vorwürfe des in den Medien veröffentlichten Videos rund um eine Festnahme neben einem Polizeibus lassen sich mit dem Grundsatz einer objektiven und faktenbasierten Berichterstattung nicht in Einklang bringen.“

Gebrochene linke Hand

Widersprüchliche Angaben lagen zuletzt auch bezüglich der gebrochenen linken Hand (Mittelhandknochen) eines Demonstranten vor. Der 35-jährige Oberösterreicher gab im Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA) an, ihm sei diese Verletzung von einem Beamten zugefügt worden („Das hat höllisch wehgetan“). Die APA verfügt laut eigenen Angaben über den diesbezüglichen Befund des Krankenhauses. Die Polizei hingegen kann diese Verletzung nicht bestätigen, sie gibt an, dass laut Einsatzbericht der Wiener Berufsrettung „keine sichtbaren Verletzungen festgestellt werden konnten“. Näheres wisse man nicht, da man die Identität des Mannes nicht kenne.

Ermittlung

Das Referat für besondere Ermittlungen (RBE) der Wiener Polizei prüft derzeit die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet. Sie leitet das Verfahren. Das RBE verfügt über zwei Ermittlerteams, bestehend aus Kripo-Beamten. Es kommt etwa zum Zug, wenn der Verdacht besteht, dass Polizisten vorsätzlich Straftaten begangen haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2019)

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