Gott sei Dank hat der ORF die letzte Regierung unbeschädigt überlebt

Eine Liebeserklärung an Ö1. Und ein Seufzer der Erleichterung, dass der Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – vorerst – abgewendet ist.

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In den letzten Tagen konnte man Interessantes über das Leben in den Baumkronen erfahren. Über den Wirtschaftsboom in Vietnam. Über Menschen, die Angehörige pflegen. Über die Banane. Über die kollektive Identitätskrise. Über das Fiakerlied. Über Hightechgewächshäuser. Über das Alphorn und die Beziehung zwischen Mensch und Haustier. Über Südafrika seit dem Ende der Apartheid. Über die Geschichte der Musikkassette. Über unsere Gesellschaft zwischen Prekariat und Saturiertheit. Über den Taylorismus, die ersten Atari-Konsolenspiele, den Kampf gegen Korruption und über Sternenexplosionen in fernen Galaxien. Über Populismus, Armut und die Kunst des Aufräumens. Über Netflix und Transfettsäuren. Über die neue Regierung und einen Zeichner mit Multipler Sklerose, der Witze über Behinderte macht.

Man musste nicht viel tun, um das alles zu erfahren. Man musste bloß das Radio aufdrehen und sich nicht die Ohren zuhalten. Ö1 ist öffentlich-rechtlicher Rundfunk im ureigensten Sinn: Er hält uns nicht für blöd. Er erzählt uns Dinge, von denen wir vorher gar nicht wussten, dass sie uns überhaupt interessieren könnten, und erweitert damit unser Bild von der Welt. So kann man, wenn man will, jeden Tag ein kleines bisschen gescheiter werden. Gesellschaftshistorisch gesehen nennt sich das: Aufklärung. Und wer dabei zuschauen will, wie das gemacht wird, dem sei der wunderbare Dokumentarfilm „Gehört, gesehen“ ans Herz gelegt, der derzeit in den Kinos läuft. Redliche, zweifelnde, neugierige, hadernde Menschen beobachtet man da, wie sie versuchen, den uralten Aufklärungsanspruch in die hektische Gegenwart herüberzuretten.

Das ist nicht immer leicht. Denn die Aufklärung hat Feinde. Einerseits sind das jene, die immer sofort „Laaaaangweilig!!“ schreien, wenn sie sich ein bisschen anstrengen sollen. Radio – eine Technologie von vorgestern!, sagen sie. Oder: Zuhören – was für eine Zeitverschwendung! Wo man doch alles heute viel schneller gleich mit dem Daumen erledigen kann – tippen, wischen, liken, fertig. Diesen Zweiflern sei der „Podcast“ gewidmet – ein Sendeformat, das in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Ö1 musste, um Podcasts anzubieten, nicht viel Neues lernen, denn Podcasts sind de facto genau das, was Ö1 sowieso den ganzen Tag produziert: auf Knopfdruck abrufbares Radio nämlich. Features, Gespräche, von Moderatoren persönlich gestaltete Sendungen. Sogar das verstaubte alte Hörspiel erlebt im Podcast-Gewand plötzlich eine Wiedergeburt. Und, o Wunder: Die jungen Menschen, die ohnehin mit ihren Kopfhörern verwachsen sind, hören stundenlang konzentriert zu.

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