Ist die SPÖ noch zu retten?

APA/HELMUT FOHRINGER
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Es liegt an der Parteichefin, aber noch viel mehr an der Partei selbst. Wer zu spät kommt, den bestraft der Wähler. Wenn nichts passiert, einmal mehr.

Der Misstrauensantrag war kein Glanzstück der SPÖ. Sie hat damit EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder um einen Wahlerfolg gebracht. Den Bundespräsidenten verärgert. Größere Teile der Bevölkerung gegen sich aufgebracht. Laut einer OGM-Umfrage waren auch 23 Prozent der SPÖ-Wähler dagegen.

Auch sonst läuft es nicht sonderlich rund. Was die SPÖ noch retten könnte, wäre ein ÖVP-Skandal von Ibiza-Ausmaßen. Sonst ist sie rettungslos hinterher. So war es schon im Wahlkampf 2017: Den Vorsprung, den die ÖVP zu Beginn des Wahlkampfs hatte, gab sie nicht mehr her.

Das große Thema war damals die Migration. Der Klimaschutz, den die Grünen zum Thema machten, hatte 2017 (noch) keine Konjunktur. Die Migration ist nicht verschwunden und wird uns auch in diesem Wahlkampf begleiten, man kann davon ausgehen, dass FPÖ und ÖVP davor warnen werden, dass unter Roten und Grünen, eventuell auch den Neos, die Grenzen wieder aufgehen. Als zweites Thema kommt – nun aber wirklich – das Klima hinzu. Und da wie dort hat die SPÖ nicht wirklich etwas zu bieten. Bei der Migration sind ÖVP und FPÖ die erste Adresse, beim Klimaschutz die Grünen. Schmied und Schmiedl sozusagen.

Das wäre das programmatische Dilemma. Dies wäre eventuell noch mit einem charismatischen Parteichef überbrückbar. Christian Kern war einer, der in der SPÖ noch halbwegs neues Feuer entfachen konnte, der bei der Nationalratswahl auch über das eigene Lager hinaus wirkte. Aber auch das war zu wenig.

Kern ist auch an der eigenen Partei gescheitert. Am verstaubten Apparat, an den Funktionären, die dort sitzen und sich keinen Meter weit bewegen wollen, auch inhaltlich nicht. So antiquiert wie die Löwelstraße von innen aussieht, so ist auch die Partei. Auch am 1. Mai kann man auf dem Rathausplatz den Eindruck gewinnen, als wären dort nur Pensionisten und junge, linksalternative Jusos.

Was Kern bei der Bahn gelungen ist, hat er mit der SPÖ nicht mehr geschafft – deren Modernisierung. Auch seine am Ende angedachte Idee einer Kooperation mit den europäischen Liberalen, mit Emmanuel Macron, hatte gegen die beharrenden Kräfte keine Chance. In der europäischen Sozialdemokratie übrigens auch nicht. Noch vor der EU-Wahl sagte Kern in einem „Presse“-Interview, wer dieses Projekt partout nicht wollte: die deutsche SPD-Chefin Andrea Nahles. Ausgang der Geschichte bekannt. Und der spanische Premier Pedro Sanchez. Dieser ist dann übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie man als halbwegs charismatischer Politiker die inhaltlichen Defizite übertünchen kann. Und er profitierte eben auch von Korruptionsskandalen der lange regierenden Konservativen, deren rechter Flügel sich dann auch noch selbstständig machte.

Rendi-Wagner und die Ernüchterung

Wozu die Kraft Christian Kerns in der Partei noch gereicht hat, war seine Nachfolgerin, Pamela Rendi-Wagner, durchzusetzen. Doch die Anfangseuphorie – endlich eine Frau, ein gelungener Einstand beim Wahlparteitag – verflog rasch. Die Ernüchterung kehrte wieder ein, als wäre sie nicht weg gewesen.

Pamela Rendi-Wagner ist eine Sachpolitikerin, aber keine, die schon in der Sandkiste das Ziel Kanzleramt vor Augen hatte. Es gab für sie (auch) andere berufliche Optionen. Die meisten Kanzler der jüngeren Vergangenheit haben zuvor nie etwas anderes gemacht als Politik: Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Sebastian Kurz. Was Rendi-Wagner im Innersten politisch antreibt, weiß man nicht.

Um die SPÖ zu retten, müsste man die SPÖ neu erfinden. So wie das Sebastian Kurz mit der ÖVP getan hat. Der SPÖ stehen da zwei Dinge im Weg: Die Funktionäre wollen keine allzu starke Führungsfigur an der Spitze zulassen. Und die Partei hat sich ideologisch selbst gefesselt. Eine Abkehr von den alten Dogmen, an denen viele festhalten wollen, ist schwer durchzusetzen. Ein Gerhard Schröder hat es in Deutschland probiert – und gilt heute in weiten Teilen der Sozialdemokratie als persona non grata. Auch Christian Kern hat es in Ansätzen versucht. Über diese Ansätze ist er aber nicht hinausgekommen. Weil er letztlich allen gefallen wollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2019)

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