Die Staatsanwaltschaft Wien hat nach der von der Polizei aufgelösten Klima-Demo drei namentlich bekannte und einen noch auszuforschenden Beamten im Visier.
Wien. Seitdem vorigen Freitag eine Demonstration von Klima-Aktivisten durch die Wiener Polizei aufgelöst wurde, kursieren diverse Handy-Videos im Internet, welche teils verstörende Szenen wiedergeben. Ein Begriff ist seither in aller Munde: Polizeigewalt. Nunmehr hat auch die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft Wien in dieser Sache Fahrt aufgenommen: Am Donnerstag erklärte die Behörde, dass gegen vier Beamte ermittelt werde.
Staatsanwalts-Sprecherin Nina Bussek: „Nach den bisher vorliegenden Erhebungsergebnissen besteht der Verdacht der Körperverletzung und der schweren Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung sowie der Gefährdung der körperlichen Sicherheit.“ Drei der vier verdächtigen Beamten seien namentlich bekannt. Ein Vierter müsse noch ausgeforscht werden. Letzteres bekräftigt freilich die immer wieder erhobene Forderung, wonach Beamte bei derartigen Einsätzen immer gut sichtbare Dienstnummern tragen sollten.
Neun Schläge mit der Faust
Konkret geht es nun bei der staatsanwaltlichen Ermittlung um vier Vorfälle: Ein Klima-Aktivist (zu der Demo aufgerufen hatten die Gruppen „Ende Geländewagen“ und „Extinction Rebellion“) soll durch das Einschreiten der Beamten im Rahmen einer Festnahme eine Platzwunde am Kopf erlitten haben. Ein Demonstrant wurde am Boden fixiert, ein Beamter schlug neun Mal mit Faust auf den am Bauch liegenden Mann ein – und zwar im Bereich des Oberkörpers (davon gibt es ein Video, genau sieht man aber nicht, wo die Schläge landen).
Weiters geht es um eine gebrochene Hand eines Aktivisten und um eine Festnahme, bei der der Betreffende, ein deutscher Aktivist, von zwei Beamten so bäuchlings am Boden fixiert wurde, dass der Kopf des Mannes unter einem Polizeibus zu liegen kam. Man sieht diese Szene mittlerweile auch auf einem zuletzt aufgetauchten Video.
Die Bilder beweisen, dass der Bus anfuhr, während sich der Kopf des Mannes vor dem linken Hinterrad des Fahrzeugs befand. Sekunden später stoppte der Bus kurz ab, in der kurzen Zeit rissen die Beamten den Mann hoch, danach rollte der Bus erneut an.
Dass dies eine „gefährliche Situation“ gewesen sei, musste die Polizei nachträglich (nach Sichtung des zweiten Videos) eingestehen. Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl nahm am Mittwoch am Rande des BVT-U-Ausschusses Stellung (Pürstl war als Zeuge geladen). Er gestand ein, dass die Szene gefährlich gewesen sei, er nehme aber an, dass die involvierten Beamten fahrlässig und nicht vorsätzlich vorgegangen seien.
Zum Vorhalt, dass die mit Gewaltvorwürfen konfrontierten Polizisten nicht sofort befragt worden seien, sagte er: „Auch Polizisten haben Verteidigungsrechte.“
Neue Demo, Staus, Sperren
Indessen wurde für heute, Donnerstag eine weitere Demo angemeldet – laut Polizei von einer Privatperson. Motto: „Halt der Polizeigewalt“. Die Polizei rechnet mit ungefähr tausend Teilnehmern. Die Marschroute: Verkehrsministerium (nahe Urania) – Franz-Josefs-Kai – Rossauer Kaserne – Schlickplatz – Schottenring – Sigmund-Freud-Park (vor der Votivkirche). Zeit: von 18 bis 22 Uhr. Mit Umleitungen bzw. Sperren für den Verkehr ist zu rechnen.
Auch auf politischer Seite stand das Thema „Polizeigewalt“ erneut auf der Agenda: Die Liste „Jetzt“ (Alma Zadic, Peter Pilz) richtete eine parlamentarische Anfrage an Neo-Innenminister Wolfgang Peschorn. In nicht weniger als 50 Fragen (diese sind zum Teil mit etlichen Zusatzfragen angereichert) will die Partei die verschiedensten Details zu der Polizeiaktion in Erfahrung bringen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2019)