Dreimal kann Mario Draghi noch entscheiden

Mario Draghi tritt Ende Oktober ab.
Mario Draghi tritt Ende Oktober ab.REUTERS
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Die Amtszeit von Mario Draghi geht bald zu Ende. Der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik muss aber warten.

Wien. Der italienische Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat noch drei Chancen, an der Zinsschraube zu drehen. Mehr Chancen wird Mario Draghi nicht bekommen, denn bis zum Ende seiner Amtszeit am 31. Oktober tritt das geldpolitische Spitzengremium Europas nur noch drei Mal zusammen.

Dass es an diesem Donnerstag bei der externen Sitzung in Litauen zu einer Zinsanhebung kommt, gilt als ausgeschlossen. Überhaupt sieht es für Draghis ursprünglichen Plan, aus der lockersten Geldpolitik aller Zeiten auszusteigen, sehr schlecht aus. Wenn er nach der Sitzung am Nachmittag vor die Presse tritt, wird es vor allem um die Frage gehen, was die EZB machen kann, um das Geld noch weiter zu verbilligen.

„Zwar ist es für die EZB wahrscheinlich zu früh, eine geldpolitische Lockerung deutlicher zu diskutieren, ein neues Signal von Mario Draghi kann aber nicht ausgeschlossen werden“, erklärte Frederik Ducrozet vom Schweizer Bankhaus Pictet.

Die Inflation in der Eurozone hat sich zuletzt wieder deutlich von der Wunschmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp zwei Prozent entfernt. Im Mai ist sie unerwartet kräftig auf 1,2 Prozent gesunken, was die bisher niedrigste Rate in diesem Jahr ist, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat am Dienstag mitgeteilt hat. Im April ist die Teuerung noch bei 1,7 Prozent gelegen.

Alle Blicke auf die Fed

Die von der EZB erwartete nachhaltige Verstärkung des Preisauftriebs lasse weiter auf sich warten, sagte Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil zu den Daten. „Trotz der ordentlichen Binnennachfrage fällt es den Unternehmen offenbar weiterhin schwer, ihre höheren Lohnkosten auf die Verbraucher zu überwälzen.“

Aus Sicht von Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, wird sich am schwachen Preisdruck angesichts von Globalisierung, moderaten Lohnzuwächsen und Digitalisierung vorerst auch wenig ändern. „Die EZB dürfte ihr Versprechen für unveränderte Leitzinsen im September bis Ende 2020 verlängern“, erklärte er. Bisher verspricht sie das nur bis Ende 2019.

Angesichts des Handelsstreits zwischen den USA und China hoffen die Anleger zudem auf eine Zinssenkung in den USA. Die Fed beobachte die Entwicklungen rund um die Handelsstreitigkeiten genau, hat diesbezüglich der Chef der Fed, Jerome Powell, zuletzt erklärt. (ag./jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2019)

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