Grenzstreit zwischen zwei Almeigentümern

Wo verläuft die Grenze zwischen zwei Almgrundstücken? (Symbolbild)
Wo verläuft die Grenze zwischen zwei Almgrundstücken? (Symbolbild)APA
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Wie findet man heraus, wo die Grenze zwischen zwei Almen verläuft, wenn weder im Grundbuch noch anderswo darüber etwas zu finden ist? In so einem Fall sind Naturgrenzen maßgeblich, entschied der OGH kürzlich.

Wien. Wo verläuft die Grenze zwischen zwei Almgrundstücken? Über diese Frage gerieten sich die beiden Eigentümer der Almen, zwei Agrargemeinschaften, in die Haare. Nun hat der Oberste Gerichtshof (OGH) klargestellt, wonach sich der Grenzverlauf bestimmt, wenn die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen sind und zwischen den beiden Grundnachbarn keine Vereinbarung besteht (4 Ob 21/19w).

Wie gesagt, die beiden Almeigentümer hatten recht konträre Vorstellungen über den Grenzverlauf. Die Fläche, um die gestritten wurde, ist überwiegend mit Latschen, Fichten und Lärchen bewachsen und weist markante Geländestufen auf. In den vergangenen Jahrzehnten wurde diese Fläche weder ausschließlich von der klagenden noch von der beklagten Partei genutzt und bewirtschaftet. Vielmehr weideten dort Kühe beider Seiten friedlich nebeneinander.

Förderungen doppelt beantragt

Doch 1995 beantragte der Obmann der Klägerin für den strittigen Bereich AMA-Förderungen. Im Jahr 2013 beantragten auch die Beklagten eine Förderung für diesen Bereich. Zweimal ein und dieselbe Fläche zu fördern, war die AMA freilich nicht bereit, und veranlasste eine Auszahlungssperre.

Damit ging der Disput los. Die klagende Agrargemeinschaft zog vor Gericht, um zu erreichen, dass dem benachbarten Eigentümer verboten werde, Fördergelder für die strittige Fläche zu beantragen und diese weiterhin als Nutz- und Weidefläche zu verwenden. Ohne Erfolg. Anders entschied jedoch der OGH. Er gab der Klägerin recht und stellte klar: Besteht Streit über den eigentumsrechtlichen Grenzverlauf, so ist die richtige Grenze laut aktuellem Grundbuchstand festzustellen. Sind die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen und besteht zwischen den Nachbarn keine Einigkeit, so ist der eigentumsrechtliche Grenzverlauf freilich anders zu eruieren. Wie, dafür gab der OGH auch gleich eine Anleitung: Unbedenkliche objektive Grenzzeichen wie Grenzsteine, Metallmarken und Grenzpflöcke seien maßgeblich.

Doch auch die finden sich nicht immer und überall. Auch dafür hat der OGH eine Lösung: In so einem Fall sind Naturgrenzen maßgeblich, also Mauern, Zäune, Bäume. In Almregionen sind natürliche Grenzen etwa ein Grat, ein Felsen, eine Wasserscheide, eine Talsohle, Schluchten, Berggipfel und Ähnliches.

Nach Ansicht des OGH sei es der Klägerin gelungen, den Grenzverlauf schon vor dem Erstgericht plausibel darzulegen. Sie habe daher ihr Eigentum an der strittigen Fläche nachgewiesen. Jetzt muss nur noch die Grenze ins Grundbuch eingetragen werden, damit es künftig nicht noch einmal zu so einem Rechtsstreit kommt. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2019)

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