Unabhängigkeit und Kontrolle sollten kein Widerspruch sein

Die Presse
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Die Korruptionsstaatsanwaltschaft warf Christian Pilnacek Amtsmissbrauch vor. Man könnte es auch mangelnde Kritikfähigkeit der Behörde nennen.

Wer es sich zur Aufgabe gemacht hat, Korruption aufzuklären, der muss viel aushalten: Man macht sich – wissend – viele gewichtige Feinde in Politik und Wirtschaft. Es braucht ein dickes Fell.

Darum ist es wichtig, Einrichtungen wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu unterstützen und die Unabhängigkeit der Ermittlungen zu sichern. Die zweitgrößte Staatsanwaltschaft Österreichs gilt als eine der bestausgestatteten, dazu wurden gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, um unabhängiges Ermitteln zu gewährleisten.

Wer die Karriere eines „Korruptionsjägers“ beschreitet, der läuft nach einiger Zeit aber auch Gefahr, häufiger als nötig Verschwörungen oder Feinde zu wittern. Abstand und einen kühlen Kopf zu bewahren wird da schwierig. Darum braucht es bei komplexen Sachverhalten neben Unabhängigkeit und Freiheit durchaus auch Anleitung, Kontrolle und Hilfestellung, um sich nicht zu verrennen.

Wo die sensiblen Grenzen zwischen Unabhängigkeit und wichtiger Kontrolle, notwendigen Ermittlungen und unnötigem Einsatz von Mitteln, einer Beschneidung von Freiheiten und angemessener Kritik verlaufen, war zuletzt Grund für Auseinandersetzungen zwischen WKStA, Ministerium und Fachaufsicht. Diese gipfelten darin, dass seitens der WKStA eine Dienstbesprechung (heimlich) auf Tonband aufgezeichnet wurde, das Protokoll an Medien gespielt wurde – und Ex-Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek sowie Oberstaatsanwälte angezeigt wurden. Der Vorwurf: Amtsmissbrauch. Man soll darauf gedrängt haben, Ermittlungen einzustellen.

In Anbetracht des Sachverhalts mutet das aus mehrerlei Perspektive absurd an. Erstens ist es eine Beleidigung der Intelligenz des als integer geltenden Ex-Generalsekretärs: Sollte er Amtsmissbrauch begehen wollen, wird er das wohl nicht coram publico in einer Dienstbesprechung tun.

Zweitens war laut Protokoll keine Rede davon, das Eurofighter-Verfahren einzustellen. Im Gegenteil: Vielmehr insistierte Pilnacek darauf, weiter, aber fokussierter zu ermitteln und nicht einfach ziellos herumzusuchen. Die Leiterin der WKStA sagte daraufhin trotzig, dass man das Verfahren so machen werde, wie es dem „Standard der Behörde“ entspreche. „Auch, wenn dies mehr Zeit in Anspruch nimmt.“ Mit diesen angesprochenen Standards sind hoffentlich geltende Gesetze gemeint. Und da sieht die Strafprozessordnung etwa ein „Beschleunigungsgebot“ vor. Ermittlungen dürfen nicht unnötig hinausgezögert werden. Pilnacek pochte weiters darauf, die Ergebnisse aus sieben Jahren Ermittlungen auch zu verwerten und nicht wieder von vorn anzufangen.

Die überlangen Verfahren – ohne positiven Abschluss – fallen bei der WKStA auf. Kaum ein großer Fall konnte die vergangenen Jahre auf den Boden gebracht werden. Auch das aktuelle Vorgehen der WKStA in der BVT-Causa lässt handwerklich zu wünschen übrig. Beispiele: Die Hausdurchsuchung wurde mittlerweile für unzulässig befunden. Die Kooperation mit dem Innenministerium war wohl etwas zu eng. Die Aktenführung war schleißig. Und: Die Vorwürfe haben sich eigentlich nicht erhärtet – trotzdem sucht die WKStA die Nadel im Heuhaufen, hofft auf Zufallsfunde, um das Vorgehen rechtfertigen zu können. So vernimmt die WKStA derzeit Dutzende Personen zu angeblich falsch abgerechneten Kaffeehausrechnungen.

Davon abgesehen, dass die strafrechtliche Relevanz bezweifelt werden darf, beläuft sich der Schaden auf rund 1000 Euro. Das steht in keinem Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln. Und das ist es wohl auch, was Pilnacek und Fachaufsicht im aktuellen Fall zum Ausdruck bringen wollten. Der Versuch der WKStA, das als Amtsmissbrauch hinzustellen, wirkt wie eine beleidigte Trotzreaktion. Die Staatsanwaltschaft Linz hielt die Vorwürfe jedenfalls für unbegründet und legte die Anzeige zurück.

Der WKStA, so wichtig sie ist, würde etwas Selbstreflexion guttun. Denn Größe zeigt, wer eine Meinung hat, diese vertritt, aber den Weg auch ändert, wenn jemand bessere Argumente bringt. Das würde einer selbst ernannten Eliteeinheit zumindest gut anstehen.

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