Nach nur elf Tagen zieht Fiat Chrysler sein Angebot zur Fusion mit Renault zurück. Ein Beispiel, das zeigt, wie Europa sich im globalen Wettstreit selbst behindert.
Wien. Es ist eine knappe Meldung, mit welcher der italoamerikanische Autokonzern Fiat Chrysler (FCA) die geplante 35-Milliarden-Euro-Fusion mit Renault absagte. „Die politischen Voraussetzungen, um so ein Vorhaben erfolgreich zu Ende zu bringen, existieren in Frankreich derzeit nicht“, heißt es in dem Statement aus Turin. Kurz zuvor hat der Renault-Verwaltungsrat die Entscheidung über die geplante Aufnahme offizieller Fusionsgespräche verschoben.
Was den Deal zu Fall gebracht hat, darüber gibt es nun zwei Erzählungen. Aus Paris heißt es, die Italiener hätten zu viel Druck gemacht und nun auch überstürzt die Flinte ins Korn geworfen. Frankreich habe lediglich noch den Renault-Partner Nissan ins Boot holen wollen. Und da Frankreichs Wirtschaftsminister, Bruno Le Maire, am Wochenende ohnehin beim G20-Gipfel in Japan ist, wollte man die Entscheidung auf kommende Woche verschieben.
Von der italienischen Seite wird diese Darstellung zurückgewiesen. Offiziell hält sich FCA zwar zurück, laut informellen Quellen war das Nissan-Thema aber nur vorgeschoben. Die Japaner hatten nämlich bereits zugesagt, sich der Abstimmung zu enthalten. Und das sei ja ausreichend, um die Fusion voranzubringen.
Das Problem sei viel mehr gewesen, dass Frankreich auch in Zukunft entscheidenden Einfluss auf den Konzern haben wollte, obwohl der Anteil der Beteiligung von derzeit 15 auf 7,5 Prozent geschrumpft wäre. So habe der Forderungskatalog nicht nur enthalten, dass ein Sitz im Verwaltungsrat für Paris reserviert ist und das Hauptquartier des fusionierten Unternehmens in Frankreich liegt. Zuletzt habe es auch den Wunsch gegeben, dass Werksschließungen und Jobverluste zuerst in Italien und den USA stattzufinden hätten.
Grund dafür soll die öffentliche Aufregung sein, die in der Vorwoche in Frankreich entstand, als der US-Konzern General Electric bekannt gab, über 1000 Jobs in Frankreich abzubauen. Die Arbeitsplätze waren Teil jener Alstom-Teile, die GE 2015 – damals mit vorübergehenden Jobgarantien – übernommen hatte. Für die Regierung von Präsident Emmanuel Macron kam das Angebot von FCA für Renault also zu einem politisch heiklen Zeitpunkt.
Rom kritisiert Paris
Wie entscheidend politische und nicht wirtschaftliche Überlegungen waren, zeigt das bemerkenswerte Zitat von Italiens Wirtschaftsminister, Luigi Di Maio, der linken Fünf-Sterne-Bewegung: „Wenn Politiker sich in wirtschaftliche Angelegenheiten einmischen, ist das nicht immer hilfreich.“
An der Börse wurde Renault von den Anlegern abgestraft, während FCA leicht im Plus lag. Denn wirtschaftlich hätte die Fusion eine gewisse Logik gehabt. So stehen Renault und FCA wie alle anderen Hersteller vor der Herausforderung, den technologischen Übergang zur Elektromobilität zu schaffen und sich global aufzustellen. Je breiter die Schultern sind, auf die die Entwicklungskosten dabei aufgeteilt werden, desto besser. Zusammen wäre Renault mit FCA der drittgrößte Autokonzern nach VW und Toyota. (jaz/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2019)