LGBT+

Mach, was du willst, aber zeig es nicht

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Homosexualität im Job. Wer sein eigenes Lebensmodell gefährdet sieht, wettert am lautesten gegen jene, die anders leben. Das gilt für LGBT+, aber auch für Karrierefrauen.

Zum Interview schlägt sie ausgerechnet das Cafe Prückel vor, wo vor vier Jahren ein lesbisches Paar vor die Tür gesetzt wurde. Sophie Karmasin, Ex-Familienministerin, arbeitet jetzt mit ihrer Firma Karmasin Research & Identity an ganzheitlichen Identitäten. Auch von Unternehmen.

Als Politikerin machte sie sich für die Ehe für alle stark, für ein „Familienbild in allen Möglichkeiten und Formen“. Das sei gesetzlich in trockenen Tüchern, aber „deswegen ist noch lange nicht alles gut.“ Jetzt engagiere sie sich „für Bewusstseinsarbeit, um Einstellungen und Verhalten der Menschen zu LGBT+ zu ändern. Das ist ein großer Brocken.“ LGBT+ steht für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, das Plus für alle weiteren Möglichkeiten.

Gefürchtet ist, was anders ist

Karmasin beschreibt den Chef, der Gleichmut vorgibt gegenüber dem, was seine Mitarbeiter daheim tun, „aber offen zeigen sollen sie es nicht.“ Die gesellschaftliche Akzeptanz, sagt sie, ende dort, wo etwas nicht ins Bild nach außen passe. Manager dürften Geliebte haben, Pfarrer Kinder – solange das Bild nach außen heil bleibt.

Umgelegt auf LGBT+: Solange man von einer Neigung weiß, sie aber nicht merkt, stört sie keinen. Nur ausgelebt werden darf sie nicht. Was die Betroffenen wiederum in Scheinwirklichkeiten und Tarnexistenzen treibt.

Natürlich gibt es Gegenströmungen: Regenbogengruppen im Unternehmen, die – wichtig! – auf Wunsch der Top-Ebene zustande gekommen sind; die sich auch mit anderen Unternehmen vernetzen; Role Models, je weiter oben, desto besser; Diversity-Ziele im Entlohnungssystem; anonymisierte Bewerbungen. Die Ideen sind da – nur umgesetzt werden müssen sie.

Boston Consulting veröffentlichte im Jänner, dass sich in Deutschland nur 37 Prozent zu outen wagen. Weltweit sind es 52 Prozent. In Österreich freute sich noch im Oktober Manfred Wondrak, Co-Gründer der agpro, der Vereinigung der Austrian Gay Professionals, über 70 Prozent beruflicher Outings. Doch Wondrak sah Wolken am Horizont: Die „politische Entwicklung Österreichs, der rechte Rand der Gesellschaft und der aufkeimende Islamismus“ ließen ihn einen Rückschlag befürchten. Das war vor neun Monaten.

Homophobie schützt Identität

Aus einer anderen Ecke kommt die Universität Genf zum gleichen Ergebnis. Einer Studie zufolge können sich traditionelle (Hetero-)Männer mit zunehmender Gleichstellung von Mann und Frau immer weniger auf alte männliche Geschlechternormen – Macht, Stärke, Unabhängigkeit – stützen. Diese Eigenschaften beanspruchten nun auch Frauen für sich, während Männer jetzt „emotional, einfühlsam und kinderlieb“ sein dürften. Aus Furcht um ihre Identität grenzten sich traditionelle Männer nicht vom Weiblichen ab sondern umso vehementer von Homosexualität. Für die Forscher erklärt das, warum viele westliche Gesellschaften zwar mit der Gleichstellung der Geschlechter vorankommen, bei den Rechten Homosexueller aber auffallend zögerlich agieren.

Das Prinzip zeige sich nicht nur bei Homophobie, ergänzt Karmasin. Niemand wettere lauter gegen die berufstätige „Rabenmutter“ als die Vollzeit-Hausfrau, die ihr eigenes Lebensmodell („ich habe alles meinen Kindern geopfert“) durch ihre Geschlechtsgenossin gefährdet sieht.

Fazit: Je mehr Aggression einer Gruppe entgegenschlägt, desto verunsicherter ist die andere. Ein schwacher Trost.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2019)

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