Volkstheater: „Es wird wirkliches Schauspieltheater geben!“

Kay Voges.
Kay Voges.(c) APA (Herbert Neubauer)
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Kay Voges vom Schauspiel Dortmund übernimmt das kriselnde, von Zuschauerschwund gezeichnete Volkstheater. Was will er tun, um es zu retten? Und wie stehen seine Chancen?

Wenn ein Deutscher die Wiener Herzen erobern will, gibt es nichts Besseres, als Wien als „theaterverrückt“ und sich selbst als „Piefke“ zu bezeichnen. Der Düsseldorfer Kay Voges tat beides vor versammelter Journalistenschar: „Es ist für mich als Piefke wichtig“, sagte er, „kennenzulernen, wie Wien funktioniert.“

Dass man in Wien den Regisseur nicht mit [g], sondern mit [sch] spricht, werden ihm Kabarettisten noch nahebringen; spannender war, dass er öfter das schöne, aber bei uns unübliche Wort „Gewerke“ verwendete, offenbar für das nicht-künstlerische Personal. Das ja im Volkstheater unter der Leitung Anna Badoras – etwa durch die Auflösung der Werkstätten – ziemlich vergrämt worden ist. Er wolle auch mit den „Gewerken des Hauses“ kommunizieren, sagte Foges. Das wird auch nötig sein, weil er stark auf „Digitalisierung“ des Theaters setzen will. Noch im Jänner 2019 hat er erklärt, er wolle sich ab 2020 nur mehr einer „Akademie für Digitalisierung und Theater“ am Dortmunder Hafen widmen. Das ist nun wohl nicht mehr aktuell.

„Parallelwelt“ in zwei Theatern

Voges gilt selbst als Pionier der Aufrüstung des Theaters mit Digitalem und audiovisuellen Medien. Spektakulär war seine Inszenierung eines Stücks namens „Die Parallelwelt“ gleichzeitig in Dortmund und Berlin, mit viel philosophischem Überbau (Quanten!), der aber laut „Tagesspiegel“ „doch eher ein vages Raunen, manchmal hart an der Kitschgrenze“ blieb. Bei „Endstation Sehnsucht“ in Frankfurt stellte er zwei riesige Leinwände auf die Bühne: So erlebe man „jeden Blick in die Mitte, wo die Schauspieler zu winzigen gestikulierenden Figuren geschrumpft scheinen, als Enttäuschung“, kritisierte die „FAZ“, Voges habe „damit vor dem Theater und seiner Besonderheit gekniffen“.

Bekenntnis zum Ensemble

Vielleicht auch um solche Bedenken zu zerstreuen, versprach Voges: „Es wird wirkliches Schauspieltheater geben.“ Und bekannte sich offensiv zum Ensemble, das das „Zentrum des Hauses“ sein müsse: Er wolle es vergrößern und mit weniger Gästen arbeiten. Das wird das jetzige – in der Ära Badora auch nicht gerade liebevoll gepflegte – Ensemble freuen; Voges, der charmant zugab, dass er bisher nur eine Aufführung am Volkstheater gesehen hat, will alsbald beginnen, es sich anzuschauen.
Relativiert wird das Bekenntnis zum Schauspieltheater durch Voges' Erklärung, das Theater solle „alle Künste unter einem Dach vereinen“, auch bildende Kunst, Medienkunst, Musik. Um letztere wird sich der u. a. durch seine Arbeit mit der Noise-Band Swans bekannte US-Komponist Paul Wallfisch kümmern, er ist musikalischer Leiter am Schauspiel Dortmund, wird am Volkstheater die gleiche Stelle bekleiden. Auch Miriam Beck übersiedelt als stellvertretende Intendantin von Dortmund nach Wien.

„Weniger repräsentativ“ als Burgtheater

Voges will ein bis drei Stücke pro Saison selbst inszenieren. Sein Wien-Debüt als Regisseur gibt er aber am Burgtheater im Dezember 2019 mit einer „Endzeit-Oper“ namens „Dies irae – Tag des Zorns“. Wie will er das Volkstheater vom neuen Burgtheater unter Kušej abgrenzen? Es solle „weniger repräsentativ“ sein, „weniger Sekt als vielleicht Bier aus der Flasche“, meinte Voges, der das Volkstheater als „Arbeitertheater“ und einmal in einem Versprecher als „Volksbühne“ bezeichnete. In deren Geiste wolle er jedenfalls wirken. Auch plane er „Diskurse über Politik und Netz“, das Theater müsse um politische Relevanz „kämpfen“, das Volkstheater habe ja eine große politische Tradition. An österreichischen Autoren nannte er Jelinek, Schwab und Bernhard, dessen „Theatermacher“ hat er in Dortmund inszeniert.

Zum Volkstheater in den Bezirken, das noch mehr Stammpublikum verloren hat als das Haupthaus, meinte er, verblüffend ähnlich wie seine Vorgängerin Badora, es müsse „inhaltlich politischer“ werden. Und: „Wenn das Publikum nicht ins Haus kommt, müssen wir zum Publikum.“

Verständnis für traditionelle Bildungsbürger?

Es ist kein leichtes Erbe, das Voges antritt. 2018 hatte das Volkstheater nur eine Auslastung von 52,4 Prozent. Und Voges kommt aus Dortmund, wo das Schauspielhaus gerade 60.000 Besucher pro Jahr hat und wo es nicht wie in Wien eine Vielzahl von meist experimentell ausgerichteten Kleinbühnen gibt, die viel von dem, was sich Voges wünscht, schon längst machen – und zwar meist ohne damit das ersehnte neue Publikum anzulocken. Und gerade das klein- und bildungsbürgerliche Publikum, das Wien zur Theaterstadt macht, hängt an traditionellen Formen. Wird Voges offen genug sein, um das in Wien zu lernen?

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