Rafael Nadal zog durch einen Sieg über Roger Federer ins Finale der French Open in Paris ein. In dieser Form scheint der Spanier im Grunde unbesiegbar.
Wenn es einen Ort auf dieser Welt gibt, an dem Rafael Nadal wie sonst nur in seiner Heimat Spanien verehrt wird, dann ist es ohne Zweifel Paris. Der 33-Jährige hat sich in Frankreichs Hauptstadt über die Jahre ein Denkmal errichtet. Elf French-Open-Titel zieren seine Vita, es ist also kein bisschen verwunderlich, dass sie dem Mallorquiner hier zu Füßen liegen, ihn regelrecht vergöttern. Sonntagnachmittag greift Monsieur Nadal nach Titel Nummer zwölf in Roland Garros, im Halbfinale am Freitag hatte er Roger Federer die Grenzen aufgezeigt: 6:3, 6:4, 6:2 in 2:25 Stunden Spielzeit.
Es war eine einzige Machtdemonstration des Linkshänders, der, je länger diese Begegnung dauerte, immer besser spielte und gegen Ende völlig unantastbar schien. Dabei hatte sich Federer bei seinem ersten French-Open-Antreten seit 2015 angeschickt, das schier Unmögliche möglich zu machen, also Nadal auf Pariser Sand zu besiegen. Es gibt keine größere Aufgabe in der Geschichte dieses Sports, das verdeutlicht der Blick zurück. Von 93 Matches im Vorfeld des Halbfinals hatte der Spanier am Bois de Boulogne gerade einmal zwei verloren: 2009 gegen den Schweden Robin Söderling, 2015 gegen Novak Djoković.
Die Zweifel von gestern
Vor wenigen Wochen, als die Sandplatzsaison zwischen Monte Carlo und Madrid Fahrt aufgenommen hatte, waren durchaus berechtigte Zweifel an Nadals Dominanz auf seinem Lieblingsbelag aufgekommen. Der 17-fache Grand-Slam-Champion hatte ungewohnte spielerische Schwächen offenbart, unerwartete Niederlagen kassiert. Erst beim letzten großen Turnier vor den French Open, in Rom, war Nadal auf die Siegerstraße zurückgekehrt und hatte im Finale Djoković besiegt.
Spätestens nach dem Halbfinalsieg über Federer zweifelt niemand mehr an Nadals Form und Fähigkeiten. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob der Schützling von Ex-Profi Carlos Moya im Finale am Sonntag ernsthaft an den Rand einer Niederlage oder darüber hinaus gebracht werden kann.
„Roger, Roger!“, „Rafa, Rafa!“
Wie Nadal Federers immer wiederkehrende Angriffe abwehrte, wie er speziell aus der Defensive heraus agierte (der Rückhand-Cross scheint stärker denn je), ließ den Schweizer und die Fans am Court Philippe-Chatrier staunend zurück. Federer konnte sich bei schwierigen Verhältnissen (böigem Wind) nicht wirklich etwas vorwerfen, er hatte alles versucht, bot seinem größten Widersacher über weite Strecken Paroli.
Im zweiten Satz hatte der 37-Jährige zunächst eine Breakführung aus der Hand gegeben, beim Stand von 4:4 und 40:0 bei eigenem Aufschlag auch noch diesen Vorsprung verspielt – es war die Vorentscheidung. Als Federer früh im dritten Satz nach einem unglücklichen Volleyfehler einen weiteren Aufschlagverlust hinnehmen musste, drosch er frustriert einen Ball aus dem Stadion und kassierte dafür eine seltene Verwarnung.
Danach war Nadal endgültig nicht mehr aufzuhalten, das wusste auch Federer, der nach 145 Minuten mit „Roger, Roger“-Sprechchören verabschiedet wurde. Womöglich war Federers 87. Match zugleich sein letztes in Paris, das wussten die Zuschauer, das wusste Nadal. Er applaudierte. Nur Augenblicke später quittierten die Fans Nadals Leistung mit „Rafa, Rafa“-Rufen. „Hier wieder im Finale zu spielen, bedeutet mir so viel“, sagte der 33-Jährige.
("Die Presse", Printausgabe 8.6.2019)