Hat ein Roboter, der Musik von Heino anbietet, Zukunft?

Auf Schloss Seggau wurde im Pfingstdialog 2019 das „digitale Europa“ diskutiert. Ganz analog lockten die Reize der Südsteiermark.

Still umfließt die Sulm den Seggauberg, der mindestens seit den Kelten und Römern besiedelt ist. Hoch oben Schloss Seggau. Von diesem Burgkomplex aus haben ab dem zwölften Jahrhundert Salzburger Erzbischöfe versucht, die Südsteiermark zu kolonisieren. Vor Pfingsten sind in das sommerliche Idyll brandneue Moderne und höchste Technologie eingebrochen. Im Innenhof parkt ein Auto mit futuristischem Kameraturm auf dem Dach. Joanneum Research präsentiert Forschungsergebnisse zu „Mobile Mapping“, automatisiertem Verkehr. Man muss also nicht nach Kalifornien fliegen, um zu ahnen, wie in naher Zukunft das fahrerlose Auto Gestalt annimmt.

Symbolisch passt dieser „Drive“ zum Symposium, das im Schloss bis am Freitag abgehalten wurde. Beim Pfingstdialog „Geist&Gegenwart“ 2019 wird „Das digitale Europa“ ausgelotet. Die Diözese Graz Seckau, das Land Steiermark und sein Club Alpbach haben Wissenschaftler, Politiker, Künstler, Unternehmer und eine große Zahl an Stipendiaten zum Gedankenaustausch eingeladen. Auch ein Abgesandter des „Gegengiftes“ durfte sich am Rande mit digitalen und analogen Welten der Kultur beschäftigen.

Wohin führt uns der Weg in dieser schönen Welt von Einsen und Nullen? Es ruckelt dabei noch etwas, so wie beim Auto. Die Angst vor der digitalen Revolution und die Lust, sich daran in Konkurrenz mit dem Silicon Valley zu beteiligen, halten sich die Waage. Eine Game Developerin schwärmt von Spielen, die klug machen. Informatiker bekümmert die Macht der USA und Chinas, die Big Data im Vergleich zur EU völlig ungeniert ausnützen. Der deutsch-amerikanische Internet-Experte Tim Cole warnt vor gigantischen Monopolisten wie Google, Huawei und Co., die uns Endverbraucher ausforschen. Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, der seine engere Heimat besucht hat, um am Freitag die Keynote zu halten, zeigt sich ebenfalls skeptisch: Der digitalen Revolution würden von ihrer Entstehung her ethische Bezugspunkte fehlen. Zu beklagen sei auch der Verlust der Unmittelbarkeit in diesen virtuellen Welten. Peter Sloterdijk versteigt sich in seinen Gedanken zur „Identität in einer Zeit von Digitalisierung und Migration“ in ein Gemurmel, dem schwer zu folgen ist. Will er etwa gar analog zu umstrittenen Vorbildern ein böser Philosoph sein? Versöhnlich stimmt der literarisch-kulinarische Abend, den traditionell Verleger Lojze Wieser ausrichtet. Da kommen die Leute bei Essen und Trinken redend zum echten Symposion zusammen.

Beim Rückweg eine Begegnung der unheimlichen Art: Ein Roboter des Projekts Amigo, in Kindergröße, stellt sich in den Weg. Er ist für das Training von Menschen mit Demenz gedacht. Ob ich tanzen wolle, spielen oder Musik hören? Er sieht mich mit toten Augen taxierend an. Abba? Heino? Volksmusik? Hey, Amigo! Diese Zukunft darf noch länger warten.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2019)

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