Berufspraxis als Teil des Curriculums

Im Dualen Studium Smart Engineering an der FH St. Pölten ist eine Elektrotechnik-Lehre integriert.
Im Dualen Studium Smart Engineering an der FH St. Pölten ist eine Elektrotechnik-Lehre integriert.(c) Martin Lifka
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Berufliche Tätigkeit als integraler Teil des Studiums, das definiert die dualen Studien, die auch hierzulande, vor allem auf dem FH-Sektor, auf dem Vormarsch sind. Am Ende stehen Absolventen, die bereits mitten im Beruf stehen.

Theoretische Ausbildung und Praxis verbinden. Das Prinzip, das hierzulande von der Lehre bekannt ist, ist etwa in Deutschland auch im Hochschulsektor verbreitet. In Österreich gibt es erst eine Handvoll dualer Studiengänge – wenn auch mit steigender Tendenz. „Das Charakteristikum eines dualen Studiums ist, dass nicht nur parallel zum Studium Teilzeit in einem Betrieb gearbeitet wird, sondern diese Tätigkeit auch integraler Teil des Curriculums und das Unternehmen ein zweiter Lernort ist“, erklärt Franz Geiger, Vorsitzender der Plattform Dual Studieren und Leiter des dualen Studiengangs Elektrotechnik an der FH Vorarlberg.

Qualität der Partnerbetriebe

Entsprechend betont der Experte die Wichtigkeit der Qualitätssicherung bei der Auswahl der Partner. Dabei weist er auf die in Vorarlberg vorherrschende heterogene KMU-Struktur der Partner hin. Die Inhalte der praktischen Ausbildung seien auf die Möglichkeiten im Partnerbetrieb abgestimmt, wobei die Qualitätsstandards und das Curriculum der FH gewisse Leitplanken vorgeben. „Es muss im Betrieb eine Person geben, die in der Lage ist, die Ausbildung auf akademischem Niveau durchzuführen“, ergänzt Elmar Krainz, Leiter des dualen Studiengangs Mobile Software Development an der FH Joanneum, die in Österreich zu den Vorreitern bei dualen Studiengängen zählt. Um die Qualität der Ausbildung im Betrieb sicherzustellen, sind regelmäßige Evaluierungen mit Feedback der Studierenden bei dualen Studien üblich.

Schwierigkeiten, Partnerunternehmen zu finden, gibt es trotz der Qualitätsanforderungen kaum. Sobald sich das Modell bei den Unternehmen herumgesprochen hat, herrscht laut Geiger reges Interesse. Er spricht von einer „Win-win-win-Situation“ für Studierende, Partnerbetriebe und FH.

Während das Gros der dualen Studien dem Bereich Technik zuzuordnen ist, hat vergangenen Herbst die IUBH gestartet, eine der größten privaten Hochschulen Deutschlands, am neu gegründeten Wiener Standort mit dem dualen Bachelorstudium Tourismuswirtschaft. Im Wintersemester 2019/20 sollen mit Personalmanagement und Marketingmanagement zwei weitere nicht technische duale Studien in Wien angeboten werden.

Mittel für mehr Fachkräfte

Laut Standortleiter Alexander Bari wäre das Modell des dualen Studiums in allen Branchen mit Fachkräftemangel besonders sinnvoll. Das seien neben der Technik Branchen wie Tourismus oder Marketing. Wobei auch die Nachfrage der Unternehmen nach Bewerbern, die bereits Berufserfahrung haben, ein wesentlicher Aspekt sei. In Deutschland würde etwa auch Soziale Arbeit als duales Studium von der IUBH angeboten und immer stärker gefragt. Bezüglich der Gesundheitsberufe weist Bari aber auf die in diesem Bereich sehr unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Deutschland und Österreich hin.

Was das Angebot der IUBH angeht, so streicht Bari die enge Verbindung zwischen Lehr- und Praxisphasen heraus. Wie etwa auch bei dem oben genannten Studiengang an der FH Joanneum sind die Studierenden der IUBH an bestimmten Wochentagen im Hörsaal, an anderen im Betrieb und so in jeder Woche an beiden Lernorten. Es gibt auch Modelle, in denen sich Lehre und Praxis blockweise abwechseln. Für Bari ist das weniger optimal, weil die mehrmonatigen Pausen seiner Meinung nach der Integration der Studierenden im Betrieb abträglich seien.

Wie sich Betrieb und Studierender finden, ist an den befragten Institutionen sehr unterschiedlich geregelt. Während die IUBH laut Bari aktiv versucht, Studierende und Unternehmen ideal zu matchen, müssen sich die Studierenden in Vorarlberg selbstständig bei den von den FH als mögliche Partner gelisteten Firmen bewerben – und sowohl von diesen als auch von der FH aufgenommen werden. Am Joanneum wiederum bringt man die bereits an der FH studierenden Bewerber bei Events mit Partnerunternehmen zusammen.

Im Gegensatz zur IUBH, an der die berufliche Tätigkeit mit dem Studium startet, ist es bei technischen dualen Studien üblich, erst im zweiten oder dritten Semester im Unternehmen zu beginnen. So sei sichergestellt, dass alle über die für die Tätigkeit im Betrieb notwendigen Grundlagen verfügen. „Das duale Studium verbreitert die Zielgruppe. Neben HTL-Abgängern kommen mehr Gymnasiasten“, sagt Geiger. Der Umfang der Tätigkeit entspricht in der Regel – durchgerechnet auf das Jahr – einer Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden. Die Bezahlung ist grundsätzlich Vereinbarungssache. Ein Richtwert ist laut Geiger 1100 Euro im Monat brutto. Krainz nennt einen Bereich von 600 bis 1500 Euro – je nach Unternehmen und Vorkenntnissen.

Theorie kommt nicht zu kurz

Dem Verdacht, die Berufstätigkeit könnte auf Kosten der theoretischen Ausbildung gehen, widersprechen die Befragten vehement. „Die Ausbildung hat wie andere Bachelorstudien 180 ECTS-Punkte“, sagt Bari. Auch Geiger und Krainz betonen, dass die Theorie im gleichen Umfang gelehrt wird wie in anderen Studiengängen. Allein der praktische Teil werde in Partnerunternehmen ausgelagert.

Während an der IUBH das duale Bachelorstudium mit sieben Semestern etwas länger dauert, bleiben die anderen beiden genannten bei den beim Bachelor üblichen sechs Semestern. Der Mehraufwand, den ein duales Studium mit sich bringt, bezahlen die Studierenden mit weniger Freizeit – ein Wermutstropfen des Modells. Wobei alle Befragten berichten, dass Studierende in dualen Studien besonders motiviert seien. Und, so der Tenor, sie verdienen während des Studiums schon Geld und können darüber hinaus bereits im Unternehmen ihre Karriere starten und mit dem Abschluss gleichzeitig Berufspraxis vorweisen.

Noch einen Schritt weiter als bei gängigen dualen Studien geht die FH St. Pölten. Studierende können hier im Rahmen des Bachelorstudiengangs Smart Engineering beim Kooperationspartner Siemens eine vollwertige Elektrotechniklehre absolvieren.

INFORMATION

Bei dualen Studien ist –ähnlich der Lehre – eine fortgesetzte Tätigkeit in einem Betrieb Teil der Ausbildung. Im Gegensatz etwa zu berufsbegleitenden Studien sind die im Job erlernten Fertigkeiten integraler Teil des Curriculums, zwischen Partnerbetrieb und Hochschule besteht eine Kooperation. Der Umfang der beruflichen Tätigkeit entspricht meist 20 Wochenstunden, sie wird entsprechend entlohnt.www.dualstudieren.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2019)

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