Der Fluch des Overtourism sollte mehr Beachtung finden. Die Niederlande zeigen hier den Weg vor.
Vermutlich haben Sie vergangene Woche auch dieses Video des Kreuzfahrtschiffs gesehen, das vor Venedig in ein Pier und ein Ausflugsschiff krachte. Wollte man die Überbelastung durch den Massentourismus illustrieren, hätte man dies kaum pointierter tun können.
Viel ist bereits über dieses Phänomen des „Overtourism“ geschrieben worden und den wachsenden, bisweilen militanten Widerstand lokaler Einwohner gegen den überwältigenden Fremdenverkehr. Dieser erfasst nicht nur bestimmte Orte, sondern auch bestimmte Zeiten: Als wir Ende April das angenehm schütter besuchte Korsika bereisten, waren neben den üblichen autonomistischen Graffiti auch zahlreiche zu sehen, die pauschal alle Touristen zum Teufel wünschten. Im Juli und August ist diese prachtvolle Insel schlichtweg zu voll; ich würde sie dann nicht besuchen wollen.
Manchmal denke ich mir, dass die nachhaltige Steuerung des Tourismus einen viel höheren Stellenwert haben sollte. Herkömmliche Fremdenverkehrspolitik zielt nur darauf ab, noch mehr Touristen ins Land zu holen. Wohin das führt, kann man nicht nur in Venedig, sondern auch in Dubrovnik oder auf Island sehen. Die Niederländer haben, wie so oft, dieses Problem als Erste ernsthaft angepackt und planen, die aktive Bewerbung ihrer touristischen Hits nach und nach zu beenden. Den Gästen sollen weniger stark besuchte, aber nicht weniger interessante Orte schmackhaft gemacht werden. Daran sollte man sich in ganz Europa ein Vorbild nehmen – nicht nur dort, wo die Kreuzfahrtplage wütet.
Nächste Woche: Timo Völker
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2019)