Der Engländer bei der Vienna

Er überlebte die Nazi-Zeit in England, wurde später in Wien leidenschaftlicher Fußballer. Hans Menasse in seinem Stammcaf´e in der Wiener Rasumofskygasse.
Er überlebte die Nazi-Zeit in England, wurde später in Wien leidenschaftlicher Fußballer. Hans Menasse in seinem Stammcaf´e in der Wiener Rasumofskygasse.Michèle Pauty
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In der Nachkriegszeit war Hans Menasse ein gefeierter Fußballstar. Vor dem Krieg war er mit einem Kindertransport vor der Nazi-Herrschaft nach England entkommen.

Am Wiener Westbahnhof hatten die Eltern ihren beiden Söhnen „Auf Wiedersehen“ gesagt: Der acht Jahre alte Hans und sein 15-jähriger Bruder Kurt verließen mit weiteren 132 Kindern am 10. Dezember 1938 ihre Heimatstadt Wien mit dem sechsten Kindertransport Richtung England. „Das ist wie Urlaub“, hatten Vater und Mutter ihren Kindern gesagt. „Es war ein Abenteuer für mich“, erzählt der heute 89-jährige Hans Menasse. Die Eltern wollten ja bald nachkommen, ihre Bemühungen um ein Ausreisevisum scheiterten aber. Sie waren im Wien der Nazizeit gefangen und mussten in eine Sammelwohnung in der Leopoldstadt ziehen. Acht Jahre und vier Monate lang sollten sie Hans nicht mehr sehen. Sie wussten nicht, wie es ihm ging und wie er den Krieg überstanden hatte. „Für meine Eltern war es eine Katastrophe“, sagt Hans Menasse. „Sie mussten ihre Kinder wegschicken.“

Er hat in seinem Stammcafé in Wien-Landstraße Platz genommen und beginnt über seine fußballbegeisterte Familie im Wien der Vorkriegszeit zu erzählen. Vater Richard war ein glühender Fan des First Vienna Football Club, damals einer der erfolgreichsten Wiener Fußballvereine. Seinen kleinen Sohn Hans nahm er öfters ins Hohe-Warte-Stadion mit. Als die Nationalsozialisten 1938 aber die Macht übernahmen, war für die Familie schnell klar, dass sie das Land verlassen mussten. Dabei hatte Religion im Hause Menasse nie eine Rolle gespielt – und war 1938 doch zum bestimmenden Faktor geworden: Die Mutter war Katholikin, „Arierin“, der Vater Jude. Noch 1938 trat er zum christlichen Glauben über, das bewahrte ihn freilich nicht davor, später einen Judenstern tragen zu müssen. „An das Wien im Jahr 1938 habe ich fast keine Erinnerung“, erzählt Menasse. „Wenn man Juden auf der Straße sah, die aufwaschen mussten, stamperten mich meine Eltern weg.“ Er sei „abgekapselt“ in der Wohnung geblieben, bis die Ausreise mit dem Kindertransport klappte. „Jedes Mal, wenn eines meiner eigenen drei Kinder (Anm. die Autoren Robert und Eva Menasse sowie Tina, eine Biologin) acht Jahre alt wurde, musste ich daran denken, wie das damals für die Eltern gewesen sein muss“, sagt er mit ruhiger Stimme. „Unvorstellbar.“

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