Nationalratswahl: Verschiedene Wege führen ins Parlament

Für die Erstellung der Kandidatenlisten vor einer Nationalratswahl braucht es diplomatisches Geschick (Archivbild: Nationalrat Mai 2019).
Für die Erstellung der Kandidatenlisten vor einer Nationalratswahl braucht es diplomatisches Geschick (Archivbild: Nationalrat Mai 2019).(c) APA/ROBERT JAEGER
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Entscheiden die Delegierten oder der Chef? Gibt es ein Hearing, Geschlechterquoten und einen internen Konkurrenzkampf? Bald bestimmen die Parteien ihre Wahllisten. Auf höchst unterschiedliche Art und Weise.

Wien. Für die Erstellung der Kandidatenlisten vor einer Nationalratswahl braucht es diplomatisches Geschick, das man nicht unterschätzen sollte: Es gilt, das Unmögliche zu erreichen und alle zufriedenzustellen. Oder zumindest niemanden so zu vergrämen, dass er sich im Wahlkampf rächt. Vor allem Großparteien müssen auf verschiedene Bedürfnisse Rücksicht nehmen: Sämtliche Bundesländer müssen zufriedengestellt werden, genauso wie die Teilorganisationen. Und dann wäre da noch ein ausgewogener Frauenanteil, auf den manche Parteien mehr, manche weniger achten. Die Neos haben mit ihrem Auswahlverfahren vor der Wahl im September schon begonnen – die restlichen Parteien folgen. Mit bemerkenswerten Unterschieden in ihrer Listenerstellung.

ÖVP

Als Sebastian Kurz im Jahr 2017 die ÖVP übernahm, stellte er seiner neuen Partei Bedingungen. Die erste war: Er wolle mit einer „eigenständigen Liste, getragen von der ÖVP“, kandidieren. Außerdem forderte Kurz ein „personelles Durchgriffsrecht“. Der Parteichef „erstellt alleinverantwortlich die Bundesliste und hat bei den Landeslisten ein Vetorecht“, hieß es damals. Die Kandidatenreihung sollte nach dem Reißverschlussprinzip erfolgen, damit Männer und Frauen gleichermaßen vertreten sind. Der Parteivorstand stimmte den Bedingungen zu. Nun, zwei Jahre später, findet bereits die zweite Nationalratswahl mit Kurz als Spitzenkandidaten statt. Um über Details zu sprechen, sei es noch zu früh, heißt es aus der ÖVP. Aber grundsätzlich halte man am früheren Prozedere fest. Die Bundesländer sollen auch dieses Mal entscheiden, wie sie mit Vorzugsstimmen umgehen wollen.

SPÖ

Die SPÖ war bisher damit beschäftigt, die Frage nach der Listenersten zu klären: Nicht alle in der Partei sind mit der Performance von Chefin Pamela Rendi-Wagner zufrieden. Die Erstellung der Bundesliste könnte also zu einer weiteren Bewährungsprobe führen. Traditionell wird die SPÖ-Liste vom Bundesparteirat abgesegnet. Wann es so weit sein wird, steht allerdings noch nicht fest.

FPÖ

14 Jahre lang war Heinz-Christian Strache der Chef der Freiheitlichen – nun zieht die Partei mit Norbert Hofer in die Wahl. Dass der Obmann Spitzenkandidat wird, wurde bereits im Vorstand beschlossen. Hofer wird allerdings wohl eine inoffizielle Doppelspitze mit Herbert Kickl bilden. Der Vorstand ist es auch, der über die Reihung auf der Bundesliste entscheidet. Das letzte Wort dürfte aber auch hier der Chef haben.

Neos

Bei den Neos ist für die bundesweite Liste bereits Anmeldeschluss. Bei der Partei gibt es ein mehrstufiges Auswahlverfahren: Bis Pfingstsonntag um Mitternacht konnten sich alle Interessierten anmelden. Wie viele es waren, wollte man in der Partei noch nicht sagen. Es waren aber „sehr viele“, hieß es zur „Presse“. Am kommenden Samstag beschließt der erweiterte Parteivorstand, wer davon für das Wahlverfahren zugelassen ist. Bis 3. Juli findet eine öffentliche Onlinewahl statt, wenige Tage später stimmen auch der Vorstand und die Parteimitglieder ab. Nach einer Punkteskala wird entschieden, welcher Bewerber oder welche Bewerberin einen Platz auf der Liste erhält.

Grüne

Auch die Grünen setzten bei ihrer Listenerstellung auf Basisdemokratie: In einem Bundeskongress versammeln sich die Delegierten, um die Liste zu erstellen. Die Bewerber halten eine kurze Rede und stellen sich im Anschluss daran zur Wahl. Auch die Landesorganisationen veranstalten ein solches Event. In Wien findet es am 22. Juni statt. Die Anwesenden stimmen über einzelne Plätze ab. In der Bundeshauptstadt will diesmal die Cousine des ehemaligen Innenministers, Daniela Kickl, kandidieren. In der Vergangenheit kam es beim Bundeskongress immer wieder zu Enttäuschungen. Peter Pilz wurde zuletzt auf Platz vier von Julian Schmid verdrängt. Wie die Geschichte ausging ist bekannt: Pilz gründete seine eigene Liste – und konnte als Spitzenkandidat antreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2019)

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