Auslieferungsgesetz: USA sehen Hongkongs Autonomie in Gefahr

REUTERS/Thomas Peter/File Photo
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Ein Gesetz der Hongkonger Regierung könnte die Auslieferung Verdächtiger an die Volksrepublik erlauben. Am Sonntag waren daher mehr als eine Million Menschen in der Sonderverwaltungszone auf die Straße gegangen.

Die US-Regierung hat Kritik an einem geplanten Gesetz der Regierung in Hongkong geübt, das Auslieferungen Verdächtiger an China erlauben würde. Die USA teilten die Sorge, dass dadurch die Autonomie Hongkongs untergraben werden könnte, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Morgan Ortagus, am Montag in Washington.

"Wir sind auch besorgt darüber, dass die Gesetzesänderungen das wirtschaftliche Umfeld Hongkongs schädigen und unsere Staatsbürger, die in Hongkong wohnen oder es besuchen, dem unberechenbaren Justizsystem Chinas aussetzen könnten."

Ortagus sagte weiter, die Demonstrationen "Hunderttausender" in Hongkong zeigten deutlich, dass die Menschen die Pläne der Regierung ablehnten. Am Sonntag waren rund eine Million Menschen gegen das geplante Gesetz auf die Straßen gegangen.

Es war nach Einschätzung lokaler Beobachter der größte Protestmarsch seit dem Protest gegen die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989. Die Organisatoren zählten 1,03 Millionen Teilnehmer. Dagegen sprach die Polizei, die in Hongkong gewöhnlich äußerst niedrig schätzt, nur von 270.000 Teilnehmern.

Kritiker warnen vor Misshandlung und Folter

Dabei kam es auch zu Ausschreitungen. Einige hundert Radikale versuchten, Legislativrat und Regierungssitz zu stürmen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Die Sicherheitskräfte seien mit Gittern, Eisenstangen und anderen Objekten angegriffen worden, teilte die Polizei mit. Acht Polizisten seien verletzt worden. 17 Demonstranten wurden verhaftet.

Demonstranten trugen Schilder mit "Keine Auslieferung nach China" oder "Nach China ausgeliefert, für immer verschwunden". Das geplante Auslieferungsgesetz würde Hongkongs Behörden erlauben, auf Ersuchen chinesischer Stellen verdächtigte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker argumentieren, dass Chinas Justizsystem nicht unabhängig sei, nicht internationalen Standards entspreche und politisch Andersdenkende verfolge. Auch drohten Misshandlungen und Folter. Es wurde als "Werkzeug zur Einschüchterung" beschrieben.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium autonom regiert. Die sieben Millionen Einwohner der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion genießen größere Freiheiten als die Menschen in China, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Als Reaktion auf die Demonstrationen 2014 für mehr Demokratie, die Teile der Stadt wochenlang lahmlegten, zieht Peking aber die Zügel enger.

Aktivisten rufen zu neuen Demonstrationen auf

Trotz des Widerstands und der Angst in der Bevölkerung vor dem Auslieferungsgesetz hält die umstrittene Regierungschefin Carrie Lam daran fest. "Ich habe keinerlei Anweisungen oder Mandat von Peking erhalten, den Entwurf voranzubringen", beteuerte Lam. Vielmehr geht es aus ihrer Sicht darum, Hongkongs Verpflichtungen im Kampf gegen grenzüberschreitende Verbrechen zu erfüllen.

Bisher hat Hongkong kein Auslieferungsabkommen mit China. Bei der Rückgabe 1997 wurde China wegen seiner schlechten Menschenrechtslage und der mangelnden Unabhängigkeit seiner Justiz bewusst ausgeklammert. Schon am Mittwoch soll jetzt die Peking-treue Mehrheit in dem nicht frei gewählten Legislativrat das Gesetz in zweiter Lesung billigen. Das endgültige Votum soll bis Juli erfolgen.

Aktivisten und Oppositionspolitiker riefen zu neuen Demonstrationen und Streiks am Mittwoch auf. Kleine Geschäfte kündigten an, aus Protest geschlossen zu bleiben. Die Oppositionsabgeordnete Claudia Mo forderte Regierungschefin Lam auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen: "Gib Hongkong etwas Luft zum Atmen. Sie schiebt Hongkong wirklich an den Rand des Abgrunds - und niemand will das."

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