Der Finanzminister ist nicht nur gesundheitlich angeschlagen.
Berlin (e.m.). Für den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der am Sonntag in Brüssel wegen einer Medikamentenunverträglichkeit ins Spital eingeliefert werden musste, ist es der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, nicht topfit zu sein. An eine Ablösung Schäubles werde jedoch nicht gedacht, erklärte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag: Der Finanzminister sei auf dem Weg der Besserung und werde bald wieder gesund sein. Noch am Abend wurde Schäuble in Berlin zurückerwartet.
Innenminister Thomas de Maizière war sogleich nach Brüssel geeilt, um den 67-Jährigen bei dem EU-Gipfel zu vertreten. Er ist es auch, der, ebenso wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch, als möglicher Nachfolger Schäubles genannt wird. Immer lauter werden derzeit in Berliner Hintergrundkreisen Zweifel an der Amtstauglichkeit des Finanzministers geäußert, seine körperliche auch als politische Schwäche interpretiert.
Schäuble, der nach einem Attentat vor 20Jahren gelähmt ist, hat sich im Jänner einer Operation unterziehen müssen. Da die Wunde schlecht verheilte, musste er für mehrere Wochen zurück ins Krankenhaus. So konnte Schäuble eine Vielzahl von Terminen nicht wahrnehmen, regierte aber sein Ministerium vom Bett aus, gab Dutzende Interviews, verfasste Gastbeiträge. Die starke Präsenz trotz der Krankheit sollte den Zweiflern wohl den Wind aus den Segeln nehmen.
Mit seinem Zickzackkurs bei der Griechenland-Hilfe, der sich nicht immer mit jenem der Bundeskanzlerin gedeckt hat, hat sich der Finanzminister bei einigen in der Koalition unbeliebt gemacht. „Seine Gedankenwelt mutet manchem Beobachter so philosophisch abgehoben an“, schrieb kürzlich die „Süddeutsche Zeitung“, „dass viele sich fragen, ob dieser Mann mit seinen 67 Jahren den Finanzkapitalismus des 21.Jahrhunderts tatsächlich durchdrungen hat.“
Niemand in der Regierung spricht Schäuble prinzipiell seine Klugheit und große Erfahrung ab. Aber die Frage, ob er damit die physische Schwäche kompensieren kann, beflügelt die Gerüchte. Ob Merkel bereit wäre, ihn zu opfern?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2010)