In Schubhaft gestorben: War 58-Jähriger haftfähig?

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Symbolbild. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Nach einem Todesfall in einem Anhaltezentrum der Polizei werden Rufe nach einer Untersuchung laut.

Wien. Mittwochfrüh ist im Wiener Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände ein 58-jähriger Mann aus Ungarn gestorben. Dieser war bettlägrig gewesen und hatte sich am Tag davor laut einem Rechtsberater der Diakonie in einem sehr schlechten Gesundheitszustand befunden. Die Fragen, die sich nun stellen: War der Mann überhaupt haftfähig? Hätte er nicht in einem Krankenhaus anstatt in einer Schubhaftzelle liegen müssen?

Um Antworten liefern zu können, hat die Staatsanwaltschaft Wien eine Obduktion angeordnet. Namens der Polizei – diese ist für das Anhaltezentrum verantwortlich – teilte am Donnerstag Sprecher Patrick Maierhofer mit: „Sofortige Erste-Hilfe-Maßnahmen seitens der Polizei verliefen erfolglos. Eine polizeiliche Kommissionierung konnte keine Hinweise auf Fremdverschulden feststellen.“

Und: „Der 58-Jährige wurde während der Anhaltung medizinisch versorgt und von einem Amtsarzt positiv auf Haftfähigkeit überprüft. Wie vorgesehen wurde die Zelle des Mannes halbstündlich kontrolliert, auch in der Nacht.“ Der Mann habe auch nicht die Notruftaste gedrückt. Ungarns Botschaft sei über den Vorfall informiert worden.

Wie erwähnt ist ein Mitarbeiter der Diakonie, der als Rechtsberater mit dem Ungarn gesprochen hatte, auf die gesundheitlichen Probleme aufmerksam geworden. Der Mann lag während der Rechtsberatung im Bett seiner Einzelzelle. Diakonie-Österreich-Sprecherin Roberta Rastl erklärte der „Presse“, der 58-Jährige sei gemäß den Wahrnehmungen des Rechtsberaters zu schwach gewesen, um aufzustehen. Der Mann habe es nicht geschafft, allein auf die Toilette zu gehen. Auch habe er weder Nahrung noch Flüssigkeit aufnehmen können.

Ruf nach Volksanwaltschaft

Der Diakonie-Vertreter habe sich noch am Dienstag bei der Polizei über die ärztliche Versorgung des Bettlägrigen erkundigt und für Mittwoch einen neuen Termin ausgemacht. An diesem Tag habe die Polizei dann mitgeteilt, dass der Mann verstorben sei. Wann der Mann in seine Heimat abgeschoben werden sollte, war zuletzt unklar.

Die Diakonie möchte nun auch, dass die Volksanwaltschaft das Thema Gesundheitsversorgung in Schubhaft verstärkt unter die Lupe nimmt. Neos und Jetzt forderten Donnerstagnachmittag in ersten Reaktionen eine lückenlose Aufklärung des Falles. Neos-Mandatarin Stephanie Krisper: „Es gibt Informationen, die nahelegen, dass der Mann unter hygienisch höchst problematischen Umständen angehalten wurde und womöglich haftunfähig war.“ Beide Parteien kündigten zudem parlamentarische Anfragen an. (m. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2019)

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