EU-Bürger bei Datenschutz nachlässig

Nach einem Jahr Datenschutzgrundverordnung verschärfen weniger Nutzer sozialer Netzwerke ihre Privatsphäre-Einstellungen als vor deren Inkrafttreten.

Brüssel. Die Datenschutzgrundverordnung der EU wird als Meilenstein im Ringen der Bürger um den Schutz ihrer persönlichen Daten gefeiert. Schon kurz nach ihrem Inkrafttreten vor einem Jahr erklangen beiderseits des Atlantik zahlreiche Stimmen, die der EU kraft dieses Gesetzes, das in allen Mitgliedstaaten direkt gilt, die globale Führungsrolle zuschrieben, wie in der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts der Schutz der Privatsphäre organisiert wird.

Diesen Befund teilten die meisten Experten auf einer Fachtagung der EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel zwar. Doch zahlreiche von ihnen warnten davor, dass zwischen dem rechtlichen Versprechen der DSVGO und ihrer konkreten Umsetzung eine weite Kluft liegt. Zudem offenbart eine neue Eurobarometer-Umfrage einen paradoxen Effekt dieses Gesetzes: Je mehr die Europäer sich, zumindest im Vagen, ihrer neuen digitalen Bürgerrechte bewusst werden, desto nachlässiger kümmern sie sich darum, auf sie zu pochen.

Besonders krass fällt ins Auge, dass zwar 56 Prozent der Nutzer von sozialen Netzwerken wie Facebook in dieser Umfrage angaben, die Einstellungen über den Umfang, wie die Netzwerkbetreiber ihre Privatsphäre preisgeben dürfen, bereits einmal geändert zu haben. Das sind aber um vier Prozentpunkte weniger als im Jahr 2015. Der mit 29 Prozent am häufigsten genannte Grund dafür: Man vertraue den Netzwerken, angemessene Einstellungen für die Privatsphäre festzulegen. 27 Prozent gaben an, nicht zu wissen, wie sie beispielsweise ihre Postings von öffentlich zugänglich auf rein privat stellen. 20 Prozent wiederum erklärten, sie seien nicht darüber besorgt, ihre persönlichen Daten mit jedermann zu teilen.

Ein fataler Irrtum, wie Finn Myrstad, der Datenschutzbeauftragte des norwegischen Verbraucherrats, im Rahmen der Tagung sagte (auch in Norwegen gilt die DSGVO). Er erinnerte daran, wie Facebook vor einigen Jahren die (mittlerweile abgesagte) Einführung von Gesichtserkennung mit subtilem psychischen Druck einzuführen versucht hatte. Dies wurde als Hilfsmittel für Sehbehinderte beworben. Gemeinsam mit BEUC, dem europäischen Dachverband der nationalen Verbraucherschutzorganisationen, hat er ein Verfahren gegen Google lanciert, um die permanente Geolokalisierung der Nutzer von Mobiltelefonen zu beenden. Google mache es den Käufern eines auf dem Betriebssystem Android laufenden Telefons mit zahlreichen rechtlich grenzwertigen Kniffen schwer, diese ständige Ortung abzustellen. Wer aber ständig verfolgen kann, wo sich eine Person befindet, könne daraus Schlüsse über deren Privatleben, Konsumverhalten, sexuelle Neigung und etwaige Krankheiten ziehen. „Die meisten Leute, die vor Jahren so ein Handy gekauft haben, wissen das gar nicht“, warnte Myrstad.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2019)

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