Golfkrise: Die US-Vorwürfe stoßen auf Skepsis

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Für die US-Regierung steht fest: „Der Iran hat es getan“ – nämlich zwei Frachtschiffe im Golf von Oman angegriffen. Doch nicht nur in Teheran gibt es Zweifel an dem vom US-Militär vorgelegten Beweismaterial.

Washington/Teheran/Wien. Die Schuldzuweisungen aus Washington kamen erwartungsgemäß, und sie kamen prompt: Es sei der Iran gewesen, der am Donnerstag im Golf von Oman Sabotageakte gegen zwei große Tanker durchgeführt habe, posaunten nacheinander US-Außenminister Mike Pompeo, das US-Zentralkommando und am Freitag auch Präsident Donald Trump in die Welt hinaus. Der Iran wies die amerikanischen Anschuldigungen als „alarmierend“ zurück. Solche Behauptungen, wie sie von den USA, Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten erhoben würden, seien nichts anderes als „Kriegstreiberei“.

„Der Iran hat es getan“, erklärte Trump gegenüber dem Sender Fox News. Bei den vorliegenden Beweisen „steht ganz groß Iran drauf“, behauptete er in Zusammenhang mit Videoaufnahmen, die angeblich iranische Revolutionsgardisten beim Entfernen einer nicht explodierten Haftmine vom Tanker Kokuka Courageous zeigen. Das Video war in der Nacht zum Freitag vom US-Zentralkommando veröffentlicht worden; Stunden zuvor hatte US-Außenminister Pompeo auf den Iran als Urheber der Sabotage gezeigt. Sein britischer Amtskollege Jeremy Hunt schloss sich Freitagabend dieser Ansicht an: „Unsere eigene Einschätzung führt uns zu der Annahme, dass die Verantwortung für die Angriffe fast ganz sicher beim Iran liegt“, betonte Hunt in einer Erklärung. Kein anderer Staat oder nicht-staatlicher Akteur käme vernünftigerweise in Betracht.
Internationale Experten mahnten hingegen zu Zurückhaltung bei vorschnellen Schuldzuweisungen. „Sind das tatsächlich Iraner, die auf dem Video zu sehen sind? Ist das ein Schiff der iranischen Revolutionsgarden? Ist der gezeigte Tanker überhaupt die attackierte Kokuka Courageous?“, wurden Fachleute von Nachrichtenagenturen zitiert.

Widersprüchliche Angaben

Auch ein anderer Umstand sorgte für Skepsis. Der japanische Schiffseigner Sanyo Co. teilte mit, laut Angaben der Schiffscrew sei die Kokuka Courageous von „zwei fliegenden Objekten“ getroffen worden – warum sollten iranische Revolutionsgardisten dann Haftminen vom Schiffsrumpf entfernen?

Auch die multinationale Untersuchung zur Sabotage von vier Frachtschiffen im Persischen Golf Mitte Mai brachte kein eindeutiges Ergebnis. In einem der UNO übermittelten Bericht hieß es lediglich, ein „staatlicher Akteur“ müsse hinter den Angriffen stehen. Für Washington, Riad und Dubai war klar, dass es sich um den Iran handelt.

Geleitschutz für Handelsschiffe?

Irans Außenminister, Javad Zarif, wies die US-Anschuldigungen zu den jüngsten Vorfällen als „gegenstandslos“ zurück. Die USA beschuldigten den Iran, ohne auch nur ein Körnchen eines Beweises oder haltbare Indizien vorzulegen. „Die US-Regierung geht nun zu ihrem Plan B, der Sabotage-Diplomatie, über, um damit ihren Wirtschaftsterrorismus gegen den Iran zu verschleiern.“

In Washington hieß es aus Regierungskreisen, man erwäge Reaktionen auf die jüngsten Ereignisse, auch eine militärische Antwort sei nicht ausgeschlossen. Eine andere Möglichkeit sei es, Handelsschiffen Geleitschutz durch Kriegsschiffe zu geben. Aus dem Außenamt in Teheran wiederum verlautete: „Es ist die Aufgabe des Iran, für Sicherheit in der Straße von Hormus zu sorgen. Genau deshalb haben wir ja auch die Besatzungen der angegriffenen Schiffe so rasch wie möglich gerettet.“ Kenner der Region meinen, die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung sei erheblich gestiegen.

Auf dem nach den Attacken vom Donnerstag in Brand geratenen norwegischen Tanker Front Altair ist das Feuer mittlerweile gelöscht worden. Die 23 Besatzungsmitglieder waren von iranischen Schiffen evakuiert worden. Das Schiff liege stabil, bisher sei auch keine Verschmutzung des Wassers festgestellt worden; das iranische Militär soll die Bergung aber laut US-Regierung am Freitag verhindert haben. Die 21-köpfige Besatzung der Kokuka Courageous kehrte am Freitag auf ihr Schiff zurück, nachdem sie vorübergehend evakuiert worden war. Die Kokuka soll ebenfalls abgeschleppt werden.

Saudiarabien hat am Freitag weitere Drohnenangriffe der mit dem Iran verbündeten jemenitischen Houthi-Rebellen auf den Flughafen von Abha im Südwesten des Landes gemeldet. Fünf unbemannte Flugkörper wurden abgefangen, behauptete Riad. Bei einem solchen Angriff am Mittwoch wurden ebendort 26 Zivilisten verletzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2019)

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