Zur Klarstellung! Erklärung österreichischer Chefredakteure

Wer die Grenze zwischen Journalismus und Politik missachtet, gefährdet die Grundlagen der Demokratie. Eine gemeinsame Stellungnahme aller Chefredakteurinnen und Chefredakteure österreichischer Printmedien.

Vor vier Wochen veröffentlichten die „Süddeutsche Zeitung“ und „Der Spiegel“ das sogenannte Ibiza-Video. Seither haben sich die Ereignisse überstürzt. Eine Übergangsregierung führt das Land und die Ursache für den Sturz der Regierung ist fast in Vergessenheit geraten. Die Suche nach den Urhebern, so wichtig sie ist, überdeckt die demokratiegefährdenden Aussagen, die das Video dokumentiert.

Leicht gerät in Vergessenheit, dass da der FPÖ-Chef unmissverständlich erläuterte, wie man ausländische Geldspenden an Kontrollorganen vorbei seiner Partei zukommen lassen könnte; vergessen scheinen seine Erklärungen, wie seine Partei dem Spender zu profitablen staatlichen Aufträgen verhelfen wollte; vergessen der Plan, eine große Zeitung mithilfe russischer Investoren in den Griff zu bekommen, auch, um unliebsame Journalistinnen und Journalisten zu entfernen.

Dass Politik vom direkten Zugriff auf Medien träumt, ist in Österreich keine besondere Eigenschaft einer einzigen Partei. Wer Macht hat oder will, sucht auch nach Wegen, die Kontrollore dieser Macht zu kontrollieren. Wohin das führt, können wir in Ungarn beobachten, einem Land, das der damalige FPÖ-Chef in dem Video ausdrücklich als Vorbild nennt.

Unabhängige Medien sind in einer liberalen Demokratie kein Instrument des Machterwerbs und Machterhalts einer Partei oder mächtiger Interessensgruppen, kein Instrument zur Manipulation der Leserinnen und Leser. Bei allen Mängeln, die man ihnen vorhalten kann, sind sie ein wichtiges Korrektiv der Politik. Wer, wenn nicht diese „vierte Macht“, könnte Missstände und Machtmissbrauch sichtbar machen?

Wer die Grenze zwischen Journalismus und Politik missachtet, gefährdet die Grundlagen der Demokratie. Da diese Selbstverständlichkeit offenbar in Frage steht, ist es uns wichtig, in aller Klarheit daran zu erinnern.

Johannes Bruckenberger (APA), Christoph Dichand (Kronenzeitung), Walter Fahrnberger, Daniel Lohninger (Niederösterreichische Nachrichten), Kathrin Gulnerits (News), Walter Hämmerle (Wiener Zeitung), Christian Haubner (Oberösterreichisches Volksblatt), Klaus Herrmann (Kronenzeitung), Florian Klenk (Falter), Martin Kotynek (Der Standard), Gerald Mandlbauer (Oberösterreichische Nachrichten), Rudolf Mitlöhner (Die Furche), Rainer Nowak (Die Presse), Hubert Patterer (Kleine Zeitung), Manfred Perterer (Salzburger Nachrichten), Christian Rainer (Profil), Gerold Riedmann (Vorarlberger Nachrichten), Martina Salomon (Kurier), Alois Vahrner, Mario Zenhäusern (Tiroler Tageszeitung), Andreas Weber (Trend).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2019)

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