"Wir haben das geringere Übel gewählt"

Mihai Popşoi
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Der moldauische Parlamentsvizepräsident Mihai Popşoi über die Regierungskrise in der Ex-Sowjetrepublik, seinen ungleichen Koalitionspartner und die Unterstützung des Kreml.

Bisher herrschte Patt in Chisinau. Was unterscheidet Ihre Koalition von der Regierung der Demokraten? (Das Interview wurde vor dem Demokraten-Rückzug am Freitagnachmittag geführt, Anm.)

Wir haben die uneingeschränkte Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, der USA, von EU und Russland – und sie haben keine. Das gibt mir Zuversicht. Wir haben laut einer Umfrage mit 15.000 Teilnehmern die Unterstützung von mehr als 90 Prozent der Bürger. Vergangenes Wochenende organisierten die Demokraten eine Kundgebung mit gerade mal 4000 Teilnehmern. Es kamen nur die loyalsten Aktivisten und Behördenvertreter, vielleicht wurden auch welche bezahlt, denn die Blockierer in Chişinau bekommen Geld. Das haben Journalisten herausgefunden. Wir werden am Sonntag 50.000 Leute organisieren – ein starkes Zeichen.

Was erhoffen Sie sich von der Macht-Demonstration?

Die Demokratische Partei sollte bis spätestens Sonntag realisieren, dass der Prozess unumkehrbar ist. Sie haben es sicher jetzt schon begriffen, aber wollen es nicht wahrhaben. Ich hoffe, sie finden den Mut die Lage zu akzeptieren und die Rolle als Oppositionskraft einzunehmen. Wir haben ihnen den Vorsitz mehrerer Parlamentskomittees angeboten, proportional verteilt. Wir wollen anders vorgehen als sie zuvor mit uns. Wir wollen eine friedliche Transition der Macht. Die einzige Gefahr geht von Plahotniuc aus: Wenn er die Moldau vom Weg abbringen und zu einem neuen Venezuela machen will, könnte er das tun. Ich glaube aber nicht, dass er das riskieren wird. Wir denken, dass Plahotniuc mit uns sprechen wird. Wir sind dazu bereit.

Ist es nicht schräg, dass Ihre liberale, proeuropäische Partei jetzt Unterstützung aus dem Kreml bekommt?

Sie gilt nicht uns, sondern unseren zeitweiligen Koalitionspartnern, den Sozialisten. Die Russen haben die Koalition mit uns akzeptiert, weil sie verstanden haben, dass Plahotniuc eine viel schlechtere Option ist. Ähnlich wie wir mit den Sozialisten: Plahotniuc ist für uns die viel schlechtere Wahl. Wir haben die Wahl zwischen einem korrupten Oligarchen und einer von Russland unterstützten Partei. Es war eine Wahl zwischen zwei Übeln, und wir haben das geringere gewählt.

Nun haben Sie einen gemeinsamen Feind – aber wie wollen Sie weiter zusammenarbeiten?

Bisher haben wir eine gute Kooperation im Parlament. Ich weiß nicht, wie lang die Koalition halten wird: drei, sechs oder zwölf Monate. Wir haben geopolitisch und ideologisch sehr große Differenzen. Aber es ist die einzige Möglichkeit, systematischer Korruption zu entkommen, einen Rechtsstaat zu errichten und das EU-Assoziierungsabkommen zu implementieren, anstatt nur Lippenbekenntnisse zu europäischen Werten zu entrichten. Die Sozialisten haben ihre geopolitische Agenda, aber sie wollen auch einen Rechtsstaat und Korruption bekämpfen – das wollen wir auch.

Wie wollen Sie mit den Vergehen der bisherigen Regierung umgehen?

Wir sind nicht an der Macht, um Rache zu üben. Wir wollen einen unabhängigen Staatsanwalt, vorzugsweise aus der EU, der bestimmen soll, wer verfolgt wird und wer nicht. Wir werden unseren Staatsanwälten und Richtern nicht anschaffen, wen sie ins Gefängnis werfen sollen und wen nicht. Wenn Sie mich fragen, könnte sich Plahotniuc des Machtmissbrauchs schuldig gemacht haben. Aber ich entscheide das nicht. Alle anderen Kabinettsmitglieder, Parteimitglieder, Leiter von Institutionen und Polizeikräfte haben unsere Garantie, dass nichts passieren wird. Sie sind Geiseln von Plahotniuc, so wie bisher alle anderen auch in unserem Land.

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